„Goethereif!“ Die bulgarischen Faust-Übersetzungen
Katerina Kroucheva
Ziel dieser Untersuchung der Geschichte der bulgarischen Faust-Übersetzungen ist es, die Übersetzungstexte und ihre Rezeption literaturhistorisch zu erfassen. Dabei wird einerseits über Mechanismen nachgedacht, die das Verhältnis zwischen Original und Übersetzung bestimmen, andererseits wird eine Aussage über die Positionierung der Übersetzung in der Empfängerkultur getroffen. Überlegungen zu Wertung und Kanon in nationalen Klassikkonzepten in Kulturen, in denen sich das Bewusstsein, „verspätet“ zu sein, verfestigt hat, spielen in der Arbeit eine wichtige Rolle.
Nach einem Überblick über die neuere bulgarische Übersetzungstheorie und -geschichte werden aufgrund der Analyse der Faust-Übersetzungstexte Zusammenhänge zwischen der Formulierung von Übersetzungskonzepten und den in den Übersetzungen auftretenden Differenzen im Hinblick auf Figurenkonzeptionen, Genrebestimmung und metrische Gestaltung eruiert.
Das umfangreiche Material, das im Zusammenhang mit den Faust-Übersetzungen überliefert ist, gestattet es, das Verhältnis zwischen Kodifizierungs- und Kanonisierungsprozessen im Zusammenhang mit Sprache und Literatur innerhalb der Zielkultur und dem Statuswandel der Übersetzung eines kanonischen Werks recht genau nachzuvollziehen, wobei auch die Bemühungen um den Nachweis der eigenen “Europa-” und “Goethereife” protokolliert werden.
Schließlich wird nachgewiesen, dass der festgestellte Wechsel im Status der Faust-Übersetzung in der Zwischenkriegszeit unabhängig von der zeitgenössischen Bewertung der Qualität einzelner Übersetzungen stattfindet und nicht mit einer Neubewertung des Dramas selbst zu erklären ist.