Grundrechte und libertés publiques
Eine rechtsvergleichende Betrachtung des Grundrechtsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland und in der V. Französischen Republik
Alexander Mahnke
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfügen über gemeinsame Verfassungstraditionen (Art. 5 der Präambel der Charta der Grundrechte). Zu diesen gehört ein hoher Mindeststandard des Grundrechtsschutzes. Dies ist die Ausgangsbeobachtung, vor deren Hintergrund die Studie den Schutz der deutschen Grundrechte und der französischen libertés publiques vergleicht. Zunächst wird die Frage geprüft, welche Rechtsquellen den Grundrechten und libertés publiques zugrunde liegen. Ist dies für die deutschen Grundrechte mit ihrer ausschließlichen Regelung im Grundgesetz von 1949 noch einfach zu beantworten, so finden sich die französischen libertés publiques auf verschiedenen Rechtsebenen unterschiedlichen Ranges und sind, historisch bedingt, in divergierenden (Verfassungs-) Dokumenten von 1789, 1946 sowie 1958 niedergelegt; in ihrer Herleitung spielt auch die Entwicklung der Rechtsprechung eine wesentliche Rolle. Danach wird die Abänderbarkeit der deutschen und französischen Grundrechte dargestellt und miteinander verglichen. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob und unter welchen Voraussetzungen Grundrechte und libertés publiques abgeändert werden können, und welche Bereiche von solchen Änderungen notwendigerweise ausgenommen bleiben müssen, um die Existenz und den bestehenden Schutz der Grundrechte und libertés publiques nicht an sich zu gefährden. Im folgenden werden die Rechtsnatur und Bindungswirkung der Grundrechte und libertés publiques näher beleuchtet. Wird in der deutschen Grundrechtsliteratur und in der Rechtsprechung die Frage nach der Natur der Grundrechte wie selbstverständlich gestellt, wird also gefragt, ob es sich um bloße (subjektive) Abwehrrechte oder daneben um Rechte mit institutionellem, also objektiv-rechtlichem Charakter handelt und ob es darüber hinaus sog. „Leistungsgrundrechte“ gibt, so werden diese Fragen für die französischen libertés publiques (bisher) noch nicht systematisch gestellt. Es wird weiter untersucht, welche Bindungswirkung Grundrechte und libertés publiques haben, d.h. ob und inwieweit der territoriale Geltungsbereich, die Berechtigung aus diesen Rechten, die Bindung der Gewalten an Grundrechte und libertés publiques sowie die Frage der Geltung der Rechte zwischen Privaten in den beiden Grundrechtsräumen miteinander vergleichbar sind. Es folgt die Frage nach der Ausgestaltung von Grundrechten und libertés publiques sowie den Möglichkeiten ihrer Einschränkung. Insbesondere die Prüfung der Beschränkungsmöglichkeiten von Grundrechten und libertés publiques zeigt die z.T. beträchtlichen Unterschiede zwischen beiden Grundrechtssystemen, sei es bei der aus Sicht deutschen (Verfassungs-) Rechts überraschenden Vorfrage, ob der französische Gesetzgeber überhaupt originär für die Beschränkungen aller libertés publiques zuständig ist, sei es bei Prüfung der Fragen nach Bestehen und Umfang eines Gesetzesvorbehalts, einer Wesensgehaltsgarantie sowie eines Verhältnismäßigkeitsgebots bei der Einschränkung von Grundrechten und libertés publiques. Danach wird dargestellt, wie Konflikte und Kollisionen zwischen verschiedenen Grundrechten bzw. libertés publiques in den beiden Rechtsordnungen gelöst werden, wie im Rahmen rechtlicher Sonderverhältnisse mit dem Grundrechtsschutz umgegangen wird, ob und inwieweit es Regelungen für die Einschränkung von Grundrechten und libertés publiques in Notstandssituationen gibt und schließlich, ob und nach welchen Maßgaben der Verlust von Grundrechten und libertés publiques in Deutschland und Frankreich erfolgt. Nunmehr wird der praktisch für den Schutz von Grundrechten und libertés publiques besonders bedeutsamen Frage nachgegangen, welche Mechanismen in Deutschland und Frankreich zu ihrer Durchsetzbarkeit bestehen. Dabei wird zunächst geprüft, wie weit der im jeweiligen Land bestehende Verfassungsgerichtsschutz Instrumente zur Durchsetzung von Grundrechten und libertés publiques zur Verfügung stellt. Daran schließt sich die Frage, inwieweit die ordentlichen Gerichte und die Verwaltungsgerichtsbarkeit diesen Schutz noch ergänzen bzw. bestehende Lücken der gerichtlichen Durchsetzbarkeit von Grundrechten und libertés publiques füllen müssen. Schließlich wird der Umfang und die Bedeutung des außergerichtlichen Schutzes der Grundrechte und der libertés publiques untersucht, welche die im Hinblick auf ihre Durchsetzbarkeit ebenfalls bestehende Mechanismen sinnvoll ergänzen oder existierende Blößen zu bedecken helfen. Das Buch schließt mit einer Schlussbetrachtung, in der die getroffenen rechtsvergleichenden Erkenntnisse dargestellt und bewertet werden.