Hans Staden. Sein Werk, seine Zeit und seine Wirkung
Beiträge der Homberger Stadentagung 2017
Leandra A. Pohlai, Jürgen Schulz-Grobert
Als besondere Herausforderung für alle Beteiligten dürfte retrospektiv betrachtet die Idee gewirkt haben und noch wirken, ausgerechnet für das Jahr 2017 zu einer wissenschaftlichen Tagung einzuladen, die dem Brasilienfahrer Hans Staden gewidmet ist. Denn mit Blick auf die damals eindeutig zu erwartende Luther-Dominanz in der öffentlichen Erinnerungskultur dieses Jahres kann der Aufmerksamkeitsfaktor für das älteste deutschsprachige Brasilienbuch – Stadens Wahrhaftige Historia – nicht als Selbstläufer vorausgesetzt werden, wie es etwa 2014 während der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien durchaus auch in Homberg (Efze) der Fall gewesen ist. Und gegenüber dem 500-jährigen Jubiläum des Thesenanschlags in Wittenberg kann das 460-jährige Jubiläum der in Marburg gedruckten Erstausgabe der Wahrhaftigen Historia Stadens kaum merklich ins Gewicht fallen, auch wenn das einschlägige Ausstellungs-Thema ‚Welt im Wandel‘ den Namen Luthers mit dem eines prominenten Vorläufers Hans Stadens – nämlich Kolumbus – in direkte Beziehung brachte. (Vgl. Eser & Armer 2017) Gleichwohl ist die Beobachtung, dass Luthers vielfältiges Wirken seit 1517 nicht ohne Auswirkungen auch auf einen Text wie eben den der Wahrhaftigen Historia geblieben ist, durchaus nicht neu. So verweist bereits Christoph von Rommel in seiner Geschichte von Hessen aus dem Jahr 1827 auf „die ersten Früchte der Reformation in unserem Lande“ (Rommel 1827, S. 392), zu denen er an exponierter Position auch den Reisebericht zählt, den „der ehrliche Büchsenschütze Hans Staden aus Homberg“ (ebd., S. 392) in den Druck befördert hat. Im Zusammenhang mit dem hier angesprochenen Geburtsort Stadens wäre freilich auf eine noch viel frühere Frucht der Reformation in Hessen zu verweisen, deren „unermeßliche welthistorische Wichtigkeit“ (Ranke 1839, S. 435) von dem nicht weniger bedeutenden Historiker aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Leopold von Ranke – hervorgehoben wurde. Mit der von Landgraf Philipp dem Großmütigen 1526 in der Marienkirche zu Homberg abgehaltenen ‚Synode‘ verbindet sich nun auch eine zeitliche Nähe zu dem Geburtsjahr Stadens, das bislang allerdings nicht konkreter als um die Mitte der zwanzigen Jahre des 16. Jahrhunderts eingegrenzt werden kann. Damit ist allerdings schon ein ganz zentraler Dreh- und Angelpunkt aktueller Forschungsinteressen in Sachen ‚Stadens Werk und Stadens Zeit’ ausfindig gemacht, als deren Vertreter Uwe Schäfer ein Paradebeispiel theologischer Mikrohistorie beisteuert.