Heinrich Heines heroische Leidenschaften
Anthropologie der Sinnlichkeit von Bruno bis Feuerbach
Kai Neubauer
Indem Heine in eine auf die Philosophie der Renaissance zurückgehende Tradition eingeordnet wird, in der Epikureismus und neuplatonische Eroslehre sich wechselseitig verbinden, erscheinen zentrale Motive seines Werks in neuem Licht. Dieser Doppelaspekt, bei der das subversive Potential des Erotischen auch eine Waffe im politischen Kampf war, blieb als wesentliches Merkmal der Aufklärung im Widerstreit von Empfindsamkeit und Libertinismus erhalten, um in der Romantik erneut nach einer Synthese zu streben. Betrachtet man Heines Werk in dieser Hinsicht, dann treten überraschende Gemeinsamkeiten mit Giordano Bruno, dem Begründer des modernen Pantheismus, sowie mit Ludwig Feuerbach zutage, dessen Anthropologie der Sinnlichkeit ebenfalls auf den italienischen Häretiker zurückgeht. Die sprichwörtliche Zerrissenheit von Heines Weltanschauung wird damit zum einen als politisches-zeitgeschichtliches Phänomen, zum andern aber auch als brisantes systematisches Problem der Philosophie der Zeit einsichtig gemacht.