Herbert Douteil: Die ‚Concordantiae Caritatis‘ des Ulrich von Lilienfeld
Edition des Codex Campililiensis 151 (um 1355). Band 1: Einführungen, Text und Übersetzung Band 2: Verzeichnisse, Quellenapparat, Register, Farbtafeln der Bildseiten der Handschrift
Arnold Angenendt, Volker Honemann, Rudolf Suntrup
„Ein Schatz wird gehoben“:
Die Edition der „Concordantiae Caritatis“ des Ulrich von Lilienfeld
Unter Germanisten und Mittellateinern, Kunsthistorikern und Theologen sind die bald nach 1351 entstandenen Concordantiae caritatis (CC) des Zisterziensers Ulrich von Lilienfeld seit langem als hervorragendes Zeugnis spätmittelalterlicher klösterlicher Kultur und Frömmigkeit bekannt. In seinem Kern ist das Werk der Denkform der Typologie verpflichtet: Sie beruht auf der im Mittelalter ausgestalteten Auffassung vom universalen Heilswirken Gottes in der Geschichte, nach der sich die vorchristliche Zeit in Christus und der ihm mystisch verbundenen Kirche gesteigert erfüllt. Alttestamentliche Personen, Ereignisse und Einrichtungen oder signifikante Beispiele aus der Naturgeschichte stehen zum Neuen Testament und dem in ihm bezeugten Heilsgeschehen in einem Verhältnis von Vorbild und erfülltem Gegenbild, von Typus und Antitypus. Die Ausformung der Typologie zu großen typologischen Text-Bild-Zyklen erreicht in der seit etwa 1220 bezeugten Bible moralisée, dann im 14./15. Jahrhundert mit den ältesten erhaltenen Handschriften der – wohl um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen – Biblia Pauperum und der reichen Überlieferung des Speculum humanae salvationis beeindruckende Höhepunkte. Den markanten Schluss dieser groß angelegten Zyklen bilden seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die CC des Ulrich von Lilienfeld.
Seit 1861 in der Forschung bekannt, war der bis vor wenigen Jahren erreichte Forschungsstand insgesamt insofern unbefriedigend, als die CC sowohl von der Philologie als auch von der Kunstgeschichte noch nicht in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden konnten: Ihre Texte und Bilder waren nur in Teilen publiziert, und eine lange geplante Edition des maßgeblichen Lilienfelder Codex 151 durch Herbert Douteil war nicht zustandegekommen. Nach eingehender redaktioneller Bearbeitung wird sie nun im engen Einvernehmen mit dem Autor herausgegeben.
Als das unter Aufsicht des Autors Ulrich entstandene ‘Urexemplar’ ist der Codex 151 von exzeptionellem Rang, Ausgangspunkt späterer Überlieferung und Grundlage der weiteren Erforschung. Inhaltlich ist die Schrift in ihrem Kern eine (wohl für die Laienbrüder und Mönche des Stiftes gedachte) Predigtsammlung, die nach dem Zyklus des Kirchenjahres in der Ordnung der Messen der Sonn- und Festtage, den besonderen Messen an Heiligenfesten und den gemeinsamen Heiligenmessen in drei Hauptteile gegliedert ist. In diesen Kerntexten bildet die aufgeschlagene Verso- und Recto-Doppelseite für den Leser und Betrachter jeweils eine Sinneinheit. Die Bildseiten (Verso-Seiten) zeigen in einem zentral platzierten, schon durch seine Größe im Rang hervorgehobenen Medaillon als Hauptdarstellung die Geschichte des Evangeliums vom Tage: im ersten Teil De tempore Szenen aus dem Leben Jesu oder Parabeln und Gleichnisse, im zweiten Teil De sanctis zumeist Märtyrerszenen der Heiligenlegende. Diese neutestamentlichen oder legendarischen Szenen werden von jeweils vier Prophetenhalbfiguren begleitet. Bibelzitate in der Umschrift der Medaillons und in Spruchbändern erläutern die Szene. Unter den Hauptbildern sind in textierten Bildfeldern zwei Präfigurationen aus dem Alten Testament, seltener auch aus der Apostelgeschichte, der Apokalypse oder aus Apokryphen angeordnet. Darunter werden in gleicher Größe, offenbar also auch in gleichem Rang, Typen aus der Naturgeschichte präsentiert. Auf diese Weise werden 238 Antitypen mit ihren Typen zu insgesamt 1188 verschiedenen Szenen vereinigt. Auf den Recto-Seiten wird der Text-Bild-Inhalt der Verso-Seiten in einem ausführlichen lateinischen Text im Hinblick auf die Konkordanzen aller Einzelheiten mit dem Tagesevangelium kommentiert und allegorisch-tropologisch gedeutet.
Die Auslegung der Zehn Gebote schließt sich an: Je zwei Beispiele aus der Hl. Schrift legen die Bestrafung bei Übertretung der Gebote und zwei die Belohnung bei Befolgung der Gebote dar. Den letzten Teil der Handschri