Herrschaftsweitergabe, Konfliktregelung und Familienorganisation im fürstlichen Hochadel
Das Beispiel der Wettiner von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts
Jörg Rogge
Gegenstand dieser Untersuchung sind Organisation und Praxis der Herrschaftsverteilung und -weitergabe an die jeweils nächste Generation bei den Wettinern – ein zentrales Problem der hochadeligen Vergesellschaftung. Dabei 8interssiert insbesondere die Regelung der in diesem Zusammenhang auftretenden Schwierigkeiten. Wie regelten die Familienmitglieder Interessenkonflikte untereinander? Wie stellten sie Übereinstimmung her und mit Hilfe welcher Verfahren wurde die gefundenen Einigkeit gesichert? Wie entwickelten sich für alle Mitglieder der Familie verbindliche Verhaltensnormen und wie wurden sie durchgesetzt? Familien bzw. Dynastien sind als gesellschaftliche Tatsachen doppelt konstituiert: durch Geburt und Heirat – also biologisch und rechtliche definierbare Faktoren – und durch die Zuweisung von Sinn an Dinge und die Deutung bzw. Interpretation von Handlungs- und Verhaltensweisen durch Kommunikation, wodurch die Binnenorganisation der fürstlichen Familie immer wieder neu hergestellt wurde. Die Kommunikationspraxis der Wettiner steht deshalb im Mittelpunkt der Untersuchung. Wie sich die Dynastie als Rechtsverband einerseits und als Normengemeinschaft andererseits konstituierte, wird anhand von Quellen verfolgt, in denen die Kommunikation der Wettiner über ihre Familienorganisation und die Herrschaftsweitergabe einen Niederschlag gefunden hat: vor allem Familienverträge, Testamente und Briefe. Doch nicht nur die Verständigung untereinander über die Probleme der Herrschaftsweitergabe, sondern auch die gefundenen und praktizierten Regelungen waren für die verschiedenen Techniken und Möglichkeiten zur Konfliktregelung und Durchsetzung der dynastischen Räson – von der Installation einer Brüdergemeinschaft bis hin zur Teilung des Herrschaftsbereiches – vorgestellt und ihre Wirkung auf die weitere Entwicklung der Dynastie geprüft. Die wettinische Kommunikation über die dynastischen Ordnungsvorstellungen sowie ihre Praxis der Herrschaftsweitergabe und Konfliktregelung werden mit der entsprechenden Praxis der Habsburger, Wittelsbacher, Hohenzollern und Welfen verglichen, um herauszuarbeiten, was spezifisch wettinisch und was allgemeiner Standard im Hinblick auf Hausordnungen und Familienorganisation in den Fürstendynastien des Reiches war. Eine genealogische Tafel der Wettiner und drei geographisch-politische Karten sowie ein ausführliches Register (Orte, Personen, Sachen) erhöhen wesentlich die Benutzbarkeit dieser Monographie.