Hölderlins Vermächtnis: Der ‚geheimere Sinn‘ des Scardanelli-Zyklus
Jacky Paul
Seit über 200 Jahren steht Hölderlins Spätwerk im Mittelpunkt einer Kontroverse um Genie und Wahnsinn, die den Blick auf sein Werk beeinflusst und mitunter versperrt. Die vorliegende Studie setzt an diesem Punkt an und richtet ihr Augenmerk auf Hölderlins allerspäteste Werke – die sogenannten ‚Scardanelli-Gedichte‘. Es zeigt sich, dass hinter der vordergründigen Einfalt des Vers-, Strophen- und Reimbaus und der scheinbaren Ungereimtheit der Bilder und Datumsangaben eine konsequent berechnete Architektonik verborgen liegt. Die genaue Lektüre der Gedichte und die Berücksichtigung zeit- und geistesgeschichtlicher Kontexte offenbaren, dass sich dieses scheinbar bunt zusammengewürfelte Durcheinander angeblich wertloser ‚Fabrikate‘ zu einem vollendeten Lieder-Zyklus fügt, dem ein ‚geheimerer Sinn‘ innewohnt. Diese Erkenntnisse vermitteln neue, überraschende Einblicke in Hölderlins Spätwerk.