Im Zeichen der „Soziokultur“
Hermann Glaser und die kommunale Kulturpolitik in Nürnberg
Franziska Knöpfle
Hermann Glaser zählt zu den bedeutenden sozialdemokratischen Intellektuellen der Bundesrepublik. Als Vorsitzender des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages von 1975 bis 1990 beeinflusste er entscheidend den bundesweit geführten Diskurs über gesellschaftlich relevante Kulturpolitik. Er gilt als einer der Väter der Soziokultur, die er als Kulturreferent der Stadt Nürnberg von 1964 bis 1990 auch konkret gestaltete.
Inwieweit konnte das programmatische Reformziel, die Kultur zu demokratisieren, in der kommunalen Praxis tatsächlich realisiert werden? Dieser Frage widmet sich Franziska Knöpfle in ihrer Untersuchung und zeigt am Beispiel der bildenden Kunst Möglichkeiten und Grenzen soziokultureller Kulturpolitik in Nürnberg zwischen 1964 und 1980 auf.
Nürnberg wurde dank der aufsehenerregenden Projekte seines Kulturreferenten in den sechziger und vor allem siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem bundesweit viel beachteten „Vor-Ort soziokultureller Reflexion wie Praxis“. Mit der Einrichtung von Kulturläden und anderen Initiativen erschloss sich die städtische Kulturpolitik neue Bereiche. Solche Maßnahmen strahlten direkt und indirekt auf andere Städte aus und prägten nach und nach den mittlerweile in der Bundesrepublik vorherrschenden breiten Kulturbegriff. Mit Blick auf die Positionen von Glasers politischen Kontrahenten, deren Reaktionen auf seine Vorstöße sowie die öffentliche Resonanz entsteht ein facettenreiches Zeit-Bild, das auch Rückschlüsse auf die nachfolgenden gesellschaftlichen Bewegungen erlaubt.
In dem Ausspruch des ehemaligen Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann „Kultur hat Konjunktur!“ (1979) fand der Bedeutungszuwachs der Kulturpolitik sowohl in der praktizierten Kommunalpolitik als auch in der öffentlichen Wahrnehmung seinen plakativen Ausdruck. Das Buch von Franziska Knöpfle stellt das Reformkonzept erstmals in einen größeren Zusammenhang.