Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht
Das Beispiel Deutsch als Fremdsprache in Griechenland
Evelyn Röttger
Interkulturalität und Mehrsprachigkeit gehören in der bildungspolitischen Debatte der EU seit Jahren zu den gängigen Schlagwörtern. Gleichwohl ist sehr wenig darüber bekannt, wie im Sprachunterricht der europäischen Länder auf interkulturelle Begegnungen vorbereitet wird. Am Beispiel des Deutsch-als-Fremdsprache-Unterrichts in Griechenland wird in der vorliegenden Untersuchung gezeigt, auf welche Bedingungen das Konzept des interkulturellen Lernens in Griechenland trifft, welche Grenzen ihm gesetzt sind und welche Möglichkeiten vorhanden sind, interkulturelles Lernen in die Praxis umzusetzen. Der erste Teil der Arbeit umfasst eine ausführliche Sichtung und Analyse der deutschsprachigen Literatur zum Thema, da sich die griechische Diskussion um interkulturellen DaF-Unterricht meist auf die deutsche wissenschaftliche Auseinandersetzung bezieht, wo immer noch kein Konsens über den Begriff des interkulturellen Lernens gefunden wurde. Der zweite Teil der Arbeit enthält eine kritische Darstellung der bildungspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des DaF-Unterrichts in Griechenland, eine Aufarbeitung des Diskussionsstandes der griechischen interkulturellen Pädagogik und DaF-Didaktik sowie eine empirische Untersuchung zur Arbeit mit den interkulturellen DaF-Lehrwerken Sprachbrücke (Grundstufe) und Sichtwechsel (Mittelstufe). Dieser Teil der Arbeit folgt einem differenzierten qualitativen Untersuchungsdesign, das auf Interviews mit Lehrenden, Lernenden und Vertretern relevanter Institutionen in Griechenland, auf Hospitationen sowie auf einer Analyse unveröffentlichter Dokumente gründet. Die Studie zeigt, inwieweit die weit verbreiteten Forderungen nach interkulturellem Lernen in einem konkreten Land überhaupt umgesetzt werden können und veranschaulicht mit unterrichtspraktischen Hinweisen, ob und wie die als vorbildlich anerkannten Lehrwerke Sprachbrücke und Sichtwechsel in einer spezifischen Region genutzt werden könnten. Die Untersuchung macht weiterhin deutlich, dass der fremdsprachendidaktische interkulturelle Ansatz hinsichtlich seiner apolitischen Haltung einer Modifizierung bedarf, weil das ökonomische und politische Gefälle innerhalb der EU die Beziehungen zwischen den Ländern, mithin auch die Deutungsmuster der Lernenden und die Möglichkeiten der Entwicklung einer ‚europäischen Identität‘, in markanter Weise prägt. Auf diese Weise liefert die Untersuchung erste Bausteine für eine noch zu entwickelnde ‚Lehrwerk-Wirkungsforschung‘ und schliesst gleichzeitig eine konkrete Forschungslücke bezogen auf die Rolle des heutigen Deutschunterrichts in Griechenland.