Irgendwo da draußen sind noch Menschen
Lyrische Essays
Nina Tröger
Ein Feuerwerk humaner Gedanken in brillanter Sprache. Wie ihre Lesungen, so ihr Buch – einfach mitreißend.
Die Lämmer
es war einmal ein Lamm
das Lamm, es war allein
da kam ein Schaf vorbei
jetzt waren sie zu zwei’n
doch fiel das Lamm in‘ Bach
nun denkt das Schäfchen: Ach,
was für ein Dilemma!
Dieser tragische Moment im Leben des Schafes ist genau genommen nur dann ein wahres Dilemma, wenn wir ihm eine gewisse gesellschaftliche oder moralische Verantwortung für das Lamm übertragen.
Sodann stellen sich folgende Fragen:
Soll das Schaf dem Lamm hinterher springen und versuchen, es zu retten? Es wird höchstwahrscheinlich ertrinken, denn Schafe können nicht sehr lange schwimmen. Geschweige denn Lämmer retten. Das Schaf, besser gesagt seine Wolle, saugt sich mit Wasser voll und zieht durch das immer größere Gewicht das sowieso recht schwimmunbegabte Tier in die Tiefe. Ein grausamer Tod.
Darf sich also das Schaf einfach aus dem Staub machen und das Lämmchen seinem Schicksal überlassen?
Kommt es gar ungeschoren davon?
Und wieso ist der Schäfer* eigentlich nie da, wenn man ihn braucht?
(*Es handelt sich hier tatsächlich um einen männlichen Schäfer. Er trägt einen sehr langen Bart und definiert sich selbst als cis-gender.)
Nina Tröger
In der Großstadt geboren, am Meer aufgewachsen, klettert und arbeitet in den Bergen.
Ihre Texte handeln von depressivem Frohsinn und heiterer Melancholie. Sie kann nicht singen, darum liest sie. Gerne auch vor. Hat auf Poetry Slams damit viel Whiskey gewonnen, möchte aber nicht so viel Alkohol trinken und widmet sich daher dem lyrischen Essay. Oder der essayistischen Lyrik. So genau weiß sie das nicht.
Meistens lebt sie in Hamburg. Manchmal in Berlin.
Sie hat zwei ziemlich erwachsene Kinder und ist gerne dort, wo Freunde sind. Oder niemand.