Irre, Richter und andere Merkwürdigkeiten
Thomas Wolf
Psychisch Kranke, oft leichthin als „Irre“ abgetan, erscheinen unheimlich, wenn sie unerklärliche Straftaten begangen haben. Die Kunst des Richters besteht darin, mit Fingerspitzengefühl eine angemessene Sanktion zu finden, ohne den Menschen hinter seiner Krankheit zu übersehen.
So schildert der Autor feinfühlig-nachdenklich, gelegentlich auch schmunzelnd seine Erlebnisse aus vierzig Richter-Jahren: z.B. von einem unbescholtenen Bürger, der in einem plötzlichen psychotischen Anfall eine Familie mit seinem Auto überrollt, ins nächste Dorf fährt, sich entkleidet, einkotet, eine Predigt hält und sich hinterher an nichts mehr erinnert.
Wahrheit ist ein knappes Gut. Gelegentlich nötigt dies auch den Richter selbst in den Zeugenstand. Die Veranstaltungen der Strafjustiz sind weder freiwilliger noch humoristischer Art, jedoch reich an unfreiwilliger Komik. Eine Zeugin, die abstrusen Lehren folgt und sich für besonders sachkundig hält, krönt ihren Vortrag mit der resoluten Frage an den vorsitzenden Richter: „Hast Du das verstanden, Thomas?“. Er hat eine Menge verstanden und kritisch-differenzierend zu sehen gelernt, ohne seinen Humor und Grund-optimismus zu verlieren.
Gesetze sind nur in Worte geronnene Vorstellungen von Gerechtigkeit. Merkwürdigkeiten finden sich viele vor und hinter den Schranken des Gerichts. Das Buch öffnet ein dicht verschlossenes Fenster in die Gedankenwelt eines Strafrichters und erlaubt intime, überraschende Blicke auf sonderbare Verhaltensweisen unterschiedlichster Menschen: „Irre“, Richter, Zeugen, Jugendliche und andere … Tragikomik ist nicht die Regel, aber auch nicht die Ausnahme.