Islam – Weg der Mitte
Texte von Ibn Taymiyya
Taqī ad-Dīn Ahmad Ibn Taymiyya, Yusuf Kuhn, Yahya Michot
Ibn Taymiyya verbindet Idealismus und Realismus zu einem islamischen Humanismus.
Ibn Taymiyya – ein Name, der in aller Munde ist. An allen möglichen und unmöglichen Orten taucht er auf. Die einen rechtfertigen ihre Taten damit, während die anderen die Untaten derjenigen, die sie in seinem Namen begehen, erklären. Islamisten, Salafisten, Extremisten, Terroristen, Orientalisten, Islamexperten, Extremismusforscher und andere Terrorspezialisten – ein buntes Völkchen also bedient sich seiner und bestätigt sich gegenseitig. Dieser Diskurs erzeugt Heilige und Monster – heilige Monster.
Was aber wissen sie wirklich über und von diesem großen Gelehrten und Denker? Welcher böse Traum gebiert diese Ungeheuer? Wer hat je etwas von ihm gelesen?
Wir wollen dem freilich keine Heiligenverehrung entgegensetzen, die Ibn Taymiyya selbst ohnehin verhasst gewesen wäre, der zweifelsohne sich und jeden anderen für fehlbar und nur allzumenschlich hielt. Nein, wir meinen nur, dass Urteile, positive wie negative, über einen Menschen und seine Gedanken nicht lediglich von Vorurteilen, sondern von einer gewissen Kenntnis getragen sein sollten. Dieser Aufgabe soll unser bescheidener Beitrag einer kleinen Textsammlung dienen: Vorurteile abbauen und Kenntnisse vermitteln, um allererst sachgemäße und vernünftige Urteile zu ermöglichen, sowie den Diskurs versachlichen.
Man kann nur bass erstaunt sein angesichts der Weite der Gelehrtheit von Ibn Taymiyya – dem bedeutendsten Leser der falāsifa (Philosophen) in der sunnitischen Welt nach Fakhr ad-Dīn ar-Rāzī. Seine Virtuosität und Treffsicherheit bei seiner Behandlung der Werke, die er studiert, werfen ein besonders erhellendes Licht auf das Werden des muslimischen Denkens und gesellschaftlichen Lebens. Sollte ich es wagen, anzufügen, dass die Pflicht, den »geistigen Vater des gegenwärtigen Islamismus« nunmehr in die angesehene Ahnenreihe der Kommentatoren des Aristoteles aufzunehmen, durchaus weder eines gewissen Witzes noch Charmes entbehrt?