Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft
3. Folge, Band 28
Robert Pichl, Margarete Wagner
Die Beiträge dieses Bandes versuchen die schrittweise Rezeption der Dichterpersönlichkeit Franz Grillparzers und einiger seiner Werke aus den Perspektiven der Literaturwissenschaft und des Schulunterrichts darzustellen.
So erkennt Leroy du Cardonnoy in subtiler Analyse der Erzähltechnik des Armen Spielmanns diesen als politischen Text, in dem der Dichter im Vergleich der Flutkatastrophe mit einem möglichen Machtgewinn des Volkes als Masse die Gefahr für das bürgerliche Individuum in einer geordneten Gemeinschaft andeutet. Der Text liefert keine ausformulierte Problemlösung, sondern soll als Warnung wirken.
Ernst Seibert verfolgt die Stationen zur Kanonisierung des Armen Spielmanns als „jugendliterarischen Traditionstext“, indem er neben dem Abdruck der Novelle in Jugendschriften-Reihen ab 1914 auch spätere Ausgaben unter Verweis auf die bildungspolitischen Hintergründe vorstellt.
Klaus Heydemann zeigt in seinem Beitrag die zunehmende Aufnahme von Grillparzer-Werken in Schulausgaben (Lesebücher) noch in der Monarchie mit Querverweisen auf die nach den jeweiligen Schultypen differenzierten Lehrpläne ab 1890. Daneben erschienen die einzelnen Werke auch als Reihenbändchen verschiedener Verlage.
Johann Sonnleitner arbeitet vor dem Hintergrund mehrerer, seit der posthumen Veröffentlichung der Jüdin von Toledo oft negativer Rezensionen einen neuen, auf der Verbindung anthropologischer, psychologischer und realpolitischer Aspekte basierenden Interpretationsansatz heraus, der auf eine aktuelle Gültigkeit des dramatischen Konfliktgeflechts schließen lässt.
Im Vergleich der von Franz Grillparzer und Ferdinand von Saar behandelten Figur der Dichterin Sappho gelingt es Margarete Wagner unter Beobachtung literarischer Vorlagen sowie biographischer Materialien neben den Inspirationsquellen auch die subtilen Anspielungen beider Autoren aufzuzeigen.
(Robert Pichl namens der Herausgeber)