Jede Menge Perspektiven. Der Regisseur Herrmann Zschoche
Anna Luise Kiss
Die Filme von Herrmann Zschoche (*1934) zogen ein Millionenpublikum in die Kinos der DDR. Dabei lässt sich sein Œuvre nicht auf einen homogenen Inszenierungsstil, bestimmte inhaltliche Motive, wiederkehrende Figurenkonstellationen oder eindeutige Genrepräferenzen festlegen. Der Perspektivwechsel ist die Kontinuität in Zschoches Schaffen: Die kindliche Sicht auf die Welt (u.a. Philipp der Kleine 1976) vermochte er ebenso nachzuvollziehen und zu gestalten wie die Probleme von Teenagern und die Lebenskrisen der Erwachsenen (u. a. Sieben Sommersprossen 1978; Glück im Hinterhaus 1980). „Weibliche“ und „männliche“ Geschichten wurden mit tiefer Menschenkenntnis und künstlerischer Souveränität in Szene gesetzt (u.a. Bürgschaft für ein Jahr 1981; Weite Straßen – Stille Liebe 1969). Herrmann Zschoches Interesse galt nicht nur der Gegenwart, auch historische und utopische Filmwelten wurden von ihm geschaffen (Hälfte des Lebens 1985; Eolomea 1972). Und schließlich verstand er es, mit den unterschiedlichen Schwierigkeiten des Filmemachens in der DDR und (später) in der Bundesrepublik umzugehen.
Ralf Schenk, Tobias Ebbrecht-Hartmann, Stella Donata Haag, Wolfgang Thiel, Dorett Molitor, Marius Böttcher, Anna Luise Kiss und Dieter Chill nehmen in diesem Band unterschiedliche Aspekte von Zschoches Schaffen in den Blick. Auf die Betrachtung der Studienzeit an der damaligen Deutschen Hochschule für Filmkunst folgen Untersuchungen über die Zusammenarbeit des Regisseurs mit seinen Kostümbildnerinnen und Filmkomponisten. Ferner erfolgt ein Einblick in den Bestand der Sammlung Herrmann Zschoche des Filmmuseums Potsdam. Weitere Themen sind die Poetik der Baustelle in Insel der Schwäne (1983) und die wiederholte Arbeit mit Laiendarstellern. Der abschließende Beitrag geht auf den Wechsel des Regisseurs von der DEFA in die Fernsehlandschaft des wiedervereinigten Deutschlands ein. Im Zentrum des Bandes steht ein Interview mit Herrmann Zschoche und einigen seiner wichtigsten künstlerischen Wegbegleiter (Christa Kožik, Drehbuch; Monika Schindler, Montage; und Günter Jaeuthe, Kamera). Das Gespräch wurde von Studierenden der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf konzipiert und geführt. Jede Menge Perspektiven also – sowohl im als auch auf das Werk des Regisseurs Herrmann Zschoche.