Johann Sebastian Bach und die Wohltemperierung
Jürgen Grönewald
Was meinte Johann Sebastian Bach mit „wohltemperiert“? Sein Meisterwerk „Das Wohltemperirte Clavier“ hat er so benannt, ohne diesen Begriff zu definieren. Seitdem gibt es viele Bemühungen herauszufinden, wie er in die musikalische Praxis umzusetzen sei. Die neueste Interpretation versucht, ein Schmuckelement auf J. S. Bachs handgeschriebenem Titelblatt zu diesem Werk als versteckten Hinweis auf die entsprechende Stimmanweisung auszulegen, indem den unterschiedlich geformten Kringeln bestimmte Anteile des pythagoreischen Kommas zugeordnet werden. Der Autor der Studie bietet einen literaturgestützten Überblick zum Thema und liefert einen weiteren Ansatz zur Diskussion um das Schmuckelement: Wenn man darin überhaupt eine Stimmanweisung erkennen möchte, wobei nicht belegt ist, dass es von Bach so gemeint war, dann auf der Basis von Intervallschwebungen. Daher hält er es für sinnvoller, einen „Stimmtyp wohltemperiert“ zu definieren, anstelle „der wohltemperierten Stimmung“, mit stärker geminderten diatonischen und schwächer bis ungemindert reinen chromatischen Quinten.