Johannistrieb
Manfred Wolfgang Clausnitzer
Ein Nachmittag, eine Nacht, ein Morgen.
Beerdigung eines ca. fünfundsechzig Jahre alten Malers.
Ein als Frau verkleideter Ich-Erzähler tritt auf, in den
sich der Verstorbene zwanzig Jahre vor seinem Tod verliebt
hatte. Der damals Siebzehnjährige wollte keine Intimitäten.
Die gegensätzlichen Vorstellungen über ihre homoerotische
Beziehung begleitet sie ein Leben lang.
In seiner Erinnerung laufen die Episoden dieser Jahre ab:
Diskussionen über moderne und klassische Kunst und die
Auswüchse des Regietheaters. Rückblenden zum Leben des
Malers, seine Herkunft – er ist, wie auch der Erzähler im
deutschen Osten geboren und sozialisiert, der Ältere in der
DDR, der Jüngere nach der Wende. Der Maler erleidet zwei
Schlaganfälle, die durch Lähmung der rechtsseitigen Körperhälfte
das Arbeiten unmöglich machen und seine Karriere als
Bildender Künstler abrupt beenden. Mühsam findet er in das
Leben zurück, beginnt als Künstler neue Wege zu beschreiten.
Mit Freunden des Verstorbenen gibt es am Rande der
Trauerfeier Gespräche über die DDR-Kulturszene, Philosophie,
Physik und Glauben.
In nachgelassenen Notizen findet der Erzähler Aufzeichnungen
der Gedanken des Malers zu Tod, Sexualität, Sinn
des Lebens. Er trifft im Laufe der Nacht auf die Witwe; ihr
Austausch erhellt ihrer beider Vergangenheit mit dem Maler.
Bei einem letzten Gang über den Friedhof nimmt der Erzähler
Abschied von der Geschichte einer ungewöhnlichen Beziehung.