Judas und Jesus
Eine gefährliche Liaison
Armand Abécassis, Erwin Landrichter
Der Antijudaismus der christlichen Kirchen wurde vom Evangelisten Johannes geprägt. Das Bild des Apostels Judas als eines »Verräters«, der Jesus »auslieferte«, war geeignet, das jüdische Volk des Gottesmordes zu bezichtigen. Armand Abécassis liest dagegen die Evangelien im Lichte der jüdischen und hebräischen Schriften. In kenntnisreicher Bezugnahme zur politisch-historischen Umgebung rekonstruiert er die wahrscheinlichere Geschichte des Judas. Jesus’ Lieblingsapostel könnte ihn demnach im gegenseitigen Einvernehmen den Behörden übergeben haben, um seine Anerkennung als Messias zu erzwingen. Dass beide am selben Tag starben, erscheint weniger als göttliches Heilsgeschehen denn als missglückter politischer Plan.
»Eine seit mehr als 2000 Jahren fällige Rehabilitierung unternimmt Armand Abécassis an dem verfemten Judas Ischariot. Das ist jener Jünger, der mit dem Kuss, dem Verrat an Jesus und der Liebe zum Geld assoziiert wird, angefangen bei den Evangelisten und den Kirchenvätern bis in die Gegenwart (siehe Osterliturgie). Vor allem Johannes prägte das Bild von Judas als Verräter, der Jesus dem Kreuzestod auslieferte, und bezichtigte das jüdische Volk des Gottesmordes. Mit seiner Methode der Gegenüberstellung der Midrasch (der mündlichen jüdischen Überlieferung) und der rabbinischen Lektüre des Neuen Testaments öffnet Abécassis die Augen für die Wurzeln des christlichen Antijudaismus bis hin zu neuen Perspektiven des gegenwärtigen Palästinakonflikts und des jüdisch-christlichen Dialogs. Jesus und Judas wieder in den jüdischen Kontext zu platzieren, in dem sie gelebt haben, kann auch dabei helfen zu erkennen, welche Aufgabe Israel erfüllen könnte und welche den Christen zukommt. Abécassis plädiert jedenfalls dafür, dass beide Gemeinschaften das Ihre zur Gerechtigkeit und zum universellen Frieden beitragen.«
(Veronika Seyr in Falter : Wien 21/2012 vom 23.5.2012)