Jugend, Identität und chronische Krankheit
Soziologische Fallrekonstruktionen
Heike Ohlbrecht
In einer qualitativen Studie wird untersucht, wie sich die mit einer chronischen Krankheit verbundenen Umstellungen, Vorsichtsmaßnahmen und Verhaltensregeln auf den Prozess der Identitätsbildung in der Adoleszenzkrise auswirken. Die Anforderungen an die Identitätsarbeit sind in den letzten Jahren gestiegen. Der Fokus chronische Krankheit kann wie eine Art Brennglas wirken, welches spezifische Problemlagen zu Tage fördert und zeigt, wie Jugendliche unter den Bedingungen der Irritation und der Infragestellung die Arbeit am Selbst betreiben. Wenn man davon ausgeht, dass die chronische Krankheit den Aktionsradius der Jugendlichen einschränkt und zumindest bei schwerer Erkrankung eine Veröffentlichung der Krankheit im Freundes- und Familienkreis erzwingt und die Zukunft weniger offen gestaltet, dann hat dies Auswirkungen auf die mit der Adoleszenz verbundenen „Aufgaben“ die Jugendliche in der reflexiven Moderne zu bewältigen haben: auf die Problematik der Ablösung vom Elternhaus, auf die Geschlechtsrollenidentität, auf die aktuelle und vor allem künftige berufliche Orientierung und auf die Frage der Entwicklung einer eigenständigen, neugierigen und experimentierenden Welterkundung im Jugendalter.