Jugendarrest und ambulante Maßnahmen
Anspruch und Wirklichkeit des 1. JGGÄndG - Eine empirische Untersuchung
Sabine Riechert-Rother
Am 1.12.1990 trat das Erste Gesetz zur Änderung des JGG (1. JGGÄndG) vom 30.08.1990 in Kraft. Mit der Aufnahme der Betreuungsweisung, des sozialen Trainingskurses, des Täter-Opfer- Ausgleichs sowie der Arbeitsauflage in das JGG sollten die Reaktionsmöglichkeiten des Jugendrichters in Fällen der leichten bis mittelschweren Kriminalität verbessert werden, wenn eine erzieherische Einwirkung auf den Täter geboten ist, die Anordnung stationärer Maßnahmen jedoch nicht angemessen erscheint. Von einer grundsätzlichen Umgestaltung des umstrittenen Jugendarrestsystems sah der Gesetzgeber seinerzeit ab, da er davon ausging, die Praxis der Arrestverhängung würde sich zugunsten der neuen ambulanten Maßnahmen ändern. Unter Berücksichtigung des bisherigen Forschungsstands zum Jugendarrest und zu den neuen ambulanten Maßnahmen hat die Verfasserin exemplarisch anhand der Sanktionspraxis zweier Amtsgerichte in Rheinland-Pfalz empirisch untersucht, ob sich die Praxis der Arrestverhängung im Sinne des Gesetzgebers geändert hat, welche Faktoren eine Verurteilung zu Jugendarrest mitbestimmen und wie sich die Angebotssituation der neuen ambulanten Maßnahmen nach ihrer Aufnahme in das JGG entwickelt hat. Gegenstand der Untersuchung waren Daten aus den Vollstreckungsregistern und Strafverfahrensakten der beiden Amtsgerichte vor und nach Inkrafttreten des 1. JGGÄndG. Ergänzend wurden Expertengespräche mit Jugendrichtern und Anbietern der ambulanten Maßnahmen geführt. Auf der Basis der aus dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse und im Blick auf das in Vorbereitung befindliche Zweite Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (2. JGGÄndG) vom 08.04.2004 leistet die Verfasserin einen Beitrag zu der grundlegenden Frage, wie das Jugendarrestsystem vor allem im Verhältnis zu den neuen ambulanten Maßnahmen zu gestalten ist, um der mit dem 1. JGGÄndG verfolgten Zielsetzung der weitestmöglichen Ersetzung des Jugendarrests durch ambulante Maßnahmen einen entscheidenden Schritt näher zu kommen.