Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?
Eine Kritik des strafrechtlichen Funktionalismus.
Hendrik Schneider
Die Strafrechtswissenschaft hat unterhalb der dogmatischen Einzelfragen eine Tiefenschicht, in der sie sich an die in einer Epoche jeweils gültigen Vorstellungen vom Menschen und seinem abweichenden Verhalten anschließt. Mit dem Aufstieg der Soziologie waren es seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts vor allem sozialwissenschaftliche Konzepte, die in diese Tiefenschicht eindrangen – darunter auch die Systemtheorie Luhmanns.
Hendrik Schneider zeigt auf, dass mit dieser Ausrichtung der Strafrechtswissenschaft, die unter dem Etikett „Funktionalismus“ firmiert, ein völliger Systembruch der bisher immer anthropomorph ausgestalteten Grundlagen des Strafrechts verbunden ist. Er unterscheidet drei Schulen des Funktionalismus und veranschaulicht die Auswirkungen der einzelnen Grundpositionen für praxisrelevante Auslegungsprobleme des Allgemeinen Teils des Strafrechts. Seine Analysen münden in einer Kritik des „reinen“ funktionalen Ansatzes, der sich nach Auffassung Schneiders als kontraproduktiv und in sich selbst widersprüchlich erweist.