Kirchenordnungen.
Anfänge kirchlicher Rechtsbildung.
Johannes Mühlsteiger
Aktuelle Fragen des kirchlichen Zusammenlebens verlangen zu ihrer Lösung auch einen Blick auf die in der Kirche des Anfangs hinterlegten Wahrheiten. Deshalb ist es stets sinnvoll, sich mit den biblischen Grundlagen und den frühen Rechtsquellen der Kirche zu befassen. Vor allem die Pastoralbriefe, insbesondere 1 Timotheusbrief und Titusbrief, lassen sich als ein in Briefform von Paulus seinen Adressaten mitgeteiltes Paket von verbindlichen Weisungen verstehen. Als Ordnung für die Gemeinde wollen sie dem Evangelium, das Paulus den Gemeinden anvertraut hat, einen sicheren Geleitschutz in die Zeit der Kirche geben.
Die Pastoralbriefe enthalten erste kirchenordnende Elemente, die der Verfasser für seine Zeit erforderlich hielt. Spätere Quellen (Didache, Traditio Apostolica, Didascalia Apostolorum …) weisen wegen der Weiterentwicklung des Gemeindelebens deutlichere Gattungselemente einer Kirchenordnung auf. Auch diese Schriften sind für das Verständnis der Entwicklung des Kirchenrechts bedeutsam.
Die vorliegende Arbeit beansprucht keineswegs, eine umfassende und detaillierte Behandlung der einzelnen Kirchenordnungen bzw. Sammelwerke zu bieten. Sie beabsichtigt, vornehmlich als Einstiegshilfe in den Bereich des kirchlichen Rechts der ersten Jahrhunderte zu dienen. Bei dem Auslegungspluralismus des geltenden Kirchenrechts wächst naturgemäß das Bedürfnis, den geistigen Quellgrund gewisser Anordnungen auszumachen, um so eine begründete Position für die eigene Verhaltensweise einzunehmen. Eine sichere Erkenntnis der Gesetzesintention, die für zentrale Einrichtungen des kirchlichen Rechts nicht ohne Rückgriff auf die Anfänge voll erschlossen werden kann, hilft allemal zu einer korrekten Vorgehens- und Entscheidungsfindung im Alltag des Kirchenlebens.