Körperliches und sinnhaftes Bezeugen
Multimodale Analysen von Oral-History-Interviews mit Zeitzeug:innen aus nationalsozialistischen Gefangenenlagern
Philipp Freyburger
Wie können NS-Lagererfahrungen vermittelt und analysiert werden? Für Primo Levi, der in Auschwitz inhaftiert war, müsse ›eine neue Sprache‹ erfunden werden – zu unbeschreibbar und unvorstellbar sei das Erlebte. Gilt dieser Pessimismus auch für videographierte Oral-History-Interviews? Die vorliegende linguistische Arbeit versteht diese Interviews als sozial-interaktive Gattung, bei der die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen das Erlebte für das Gegenüber ›sinnhaft‹ rekonstruieren und körperlich repräsentieren. Mit dieser multimodalen Grammatik der Zeugenschaft positioniert sich die Studie gegenüber der immer stärker aufgeworfenen Frage, ob und inwiefern der Körper bzw. der Leib in sprachwissenschaftlichen Arbeitsgebieten mitgedacht werden sollte.