Kohl: „Stetigkeit, Klugheit, Geduld und Zähigkeit“
Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1976-1980
Günter Buchstab
Bei der Bundestagswahl vom 3. Oktober 1976 erzielte die Union mit 48,6 Prozent das zweitbeste Ergebnis nach 1957. Dennoch galt ihr Kanzlerkandidat Helmut Kohl als Wahlverlierer, da er weder die absolute Mehrheit noch den Koalitionswechsel der FDP erreicht hatte. Der Streit mit der CSU über den Umgang mit der FDP und die Einschätzung der Parteienkonstellation führten zur Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft durch die CSU-Landesgruppe des Bundestags (Wildbad Kreuth). Trotz der mühsam erreichten Rücknahme des Beschlusses schwelte die Kontroverse um eine Vierte Partei weiter. Die Uneinigkeit spitzte sich erneut zu, als Franz Josef Strauß seine Kanzlerkandidatur für 1980 anmeldete und sie unter der Prämisse „Strauß oder Spaltung“ durchsetzen konnte. Obwohl Kohl die Chancen von Strauß gering einschätzte, schwor er vor diesem Hintergrund die CDU auf bedingungslose Unterstützung des CSU-Vorsitzenden ein. In der CDU hatte Kohl mit seinem Verständnis von konstruktiver Opposition und seinem ausgleichenden Führungsstil einen schweren Stand. Die Kritik an ihm erreichte ihren Höhepunkt, als Kurt Biedenkopf 1978/79 die Trennung von Partei- und Fraktionsvorsitz verlangte. Neben diesen internen Querelen befasste sich der Bundesvorstand in den 47 Sitzungen mit der Regierungspolitik und den Regierungsparteien SPD und FDP sowie mit dem Aufkommen der Grünen, setzte innenpolitisch richtungsweisende Impulse mit den Sachprogrammen Vollbeschäftigung, Innere Sicherheit, Energiepolitik, Medienpolitik, Wirtschafts- und Haushaltspolitik, Umweltschutz und Entbürokratisierung und machte im Zusammenwirken mit der Unionsmehrheit im Bundesrat der Regierung das Leben schwer. Mit dem Grundsatzprogramm von 1978 schärfte die CDU ihr Profil und hatte mit Ihren außen- und europapolitischen Aktivitäten Erfolg bei den ersten Direktwahlen zum Europaparlament 1979. Kohls Maxime, nur mit „Stetigkeit, Klugheit, Geduld und Zähigkeit“ sei erfolgreiche Politik zu betreiben, zahlte sich langfristig aus – wenn auch noch nicht in dieser Legislaturperiode.