Kohl: „Wir haben alle Chancen“
Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1973-1976
Günter Buchstab
Die 35 Wortprotokolle der Beratungen des CDU-Bundesvorstands von 1973bis 1976 sind eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte der CDU und der Bundesrepublik dieser Jahre. In relativ kurzer Zeit gelang es dem neuen Vorsitzenden Helmut Kohl zusammen mit seinem Generalsekretär Kurt Biedenkopf, die Depression der Partei nach der Wahlniederlage von 1972 zu beenden, Aufbruchsgeist zu wecken und die bisherige Regierungs- und Fraktionspartei zu einer Mitgliederpartei umzuformen. Der Parteivorstand wurde zum Zentrum für Koordination und Integration der CDU in Bund, Ländern und Kommunen. Erfolgreiche Landtagswahlen dokumentierten die neue Attraktivität. Entscheidend dafür war die organisatorische und programmatische Erneuerung mit der „Mannheimer Erklärung“ von 1975, dem gesellschaftspolitischen Ansatz der „Neuen sozialen Frage“ sowie einer konstruktiven Oppositionspolitik in allen innenpolitischen Themenfeldern, besonders einer neuen Ost- und Deutschlandpolitik, die die Frontstellung früherer Schlachten vergessen machte. Diesem neuen Kurs einer „Politik aus einem Guß“ gingen z.T. lange und kontrovers geführte Diskussionen voraus, die die ganze Führungsqualität des Parteivorsitzenden forderten. Schwierig war das Verhältnis zur CSU, vor allem wegen ihrer Idee einer vierten Partei und der Frage der Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß für die Bundestagswahl 1976. Die eigentliche Hürde auf dem Weg zu neuerlicher Regierungsverantwortung aber war Bundeskanzler Helmut Schmidt, der von den Parteigranden außerordentlich kritisch beurteilt wurde. Dennoch sah Kohl der Wahl aufgrund der guten Ausgangsposition verhalten optimistisch entgegen: „Wir haben alle Chancen, wenn wir das selbst wollen.“