Konfession und Kultur
Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts
Thomas Kaufmann
In der Zeitspanne zwischen Luthers Tod bzw. dem Schmalkaldischen Krieg (1546/47) und dem Dreißigjährigen Krieg war die lutherische Konfession besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Neben massiven internen Konflikten um das Wittenberger Erbe wurde sie von Auseinandersetzungen mit den Reformierten, dem Judentum, der Papstkirche – insbesondere den Jesuiten – in Anspruch genommen und aufgerieben. Thomas Kaufmann untersucht die Formierung des lutherischen Protestantismus im Horizont dieser Konfliktszenarien als einen Prozeß konfessionskultureller Identitätsbildung. In der Darstellung spielen unterschiedliche Perspektivierungen eine Rolle: der Blick auf die akademische Theologie, ihre Ausbildungskonzepte und Regulierungsstrategien für Kirche und Gesellschaft, auf die Rezeption der religionsrechtlichen Existenzbedingungen des Luthertums im Augsburger Religionsfrieden, auf die memorialkulturelle Konstruktion der „Reformation“, auf die Thesaurierung und Aktualisierung des literarischen Erbes Luthers und auf die Apokalyptisierung des politischen Diskurses. Den durch das Interpretationskonzept der lutherischen Konfessionskultur verbundenen thematischen Einzelanalysen liegt die Basishypothese zugrunde, dass der lutherische Protestantismus seine „Identität“ in Krisen, Kontroversen und Konflikten bildete. Der Autor berücksichtigt v.a. weithin vernachlässigtes Quellenmaterial „populären“ Charakters (Flugschriften, Predigten, Gutachten etc.) und zeigt, dass diesen Textformen eine Schlüsselbedeutung für die Rekonstruktion der frühneuzeitlichen Konfessionskulturen zukommt.