Li Deyu (787-850)
Religion und Politik in der Tang-Zeit
Michael Höckelmann
Kaum eine politische Figur des 9. Jahrhunderts in China war bedeutender als Li Deyu (787-850). Als Kanzler unter Kaiser Wuzong (reg. 840-846) verantwortete er die schwerste Verfolgung des Buddhismus und anderer Fremdreligionen in Ostasien vor dem 20. Jahrhundert. Li stand im Zentrum politischer Verwerfungen zur Zeit des Niedergangs der Tang-Dynastie (618-907) wie des Zusammenbruchs des Uigurenreichs, der Machtergreifung der Eunuchen und des endemischen Faktionalismus der Beamten.
Mit diesem Werk liegt erstmals eine Monografie zu Li in einer westlichen Sprache vor, die zentrale Dokumente zur Religionspolitik und zum Religionsverständnis der Tang, der Blütezeit des chinesischen Buddhismus und des Daoismus, vorstellt. Kern des Werks bildet eine Teilübersetzung der Aufzeichnungen des Scheiterns und Grams (Qiongchou zhi), einer Sammlung traditionskritischer Essays (lun), die Li in seinen letzten Lebensjahren nach seiner Degradierung auf die Insel Hainan verfasste. Das darin ausgedrückte Religionsverständnis wird durch die Heranziehung amtlicher Einlassungen Lis, der selbst in der Shangqing-Tradition des Daoismus ordiniert war, zur Religionspolitik abgerundet. Eng mit führenden Literaten seiner Zeit wie Yuan Zhen und Liu Yuxi befreundet sowie selbst ein höchst produktiver Autor, wurde Li ab der Song-Zeit (960-1279) auf die Rolle eines notorischen Intrigenspinners und exzentrischen Connaisseurs reduziert. Das lag vor allem an der übertriebenen Wertschätzung von im Alten Stil (guwen) verfasster Tang-Prosa durch die Nachgeborenen, während Lis Essays im Parallelstil (pianwen) verfasst sind. Somit wird der Prosaessay der Tang hier das erste Mal ins rechte Licht gerückt.