Man lebt ja nicht um seiner selbst willen
Die Frauenrechtlerin Käthe Kern und der 20. Juli 1944
Ludger Fittkau
»Der soll dein Herr sein? Frauen entscheidet Euch!« Aus dem hohlen Kopf Adolf Hitlers ragt ein Büschel Stroh heraus. Die Karikatur ist auf die Titelseite einer Broschüre gedruckt, gleich darunter der Name der Autorin des Textes: Käthe Kern, vor 1933 Gewerkschafterin im Allgemeinen freien Angestelltenbund (AfA) sowie SPD-Frauenpolitikerin. Die Gestapo zögert nicht, sie zu verhaften, als sie die Macht dazu hat. Nach ihrer Entlassung arbeitet die gebürtige Darmstädterin in Berlin mit dem Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner zehn Jahre lang eng zusammen.
Leuschners überregionales Untergrundnetz umfasst mehrere hundert Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Sozialdemokratinnen und -demokraten. Es wird Teil des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944. Die zentrale Rolle der Frauenrechtlerin Käthe Kern in diesem »sozial-fortschrittlichen Kreis« (Elfriede Nebgen) der Konspiration gegen Hitler ist bisher wenig bekannt. Wohl auch deshalb, weil sie als Überlebende der Hauptstadtgruppe um Leuschner nach der Gründung der DDR in Ost-Berlin bleibt und dort zeitweise eine führende frauenpolitische Rolle im SED-Apparat einnimmt. Die DDR-Geschichte der Käthe Kern überlagert bisher das Erinnern an ihr Engagement für den 20. Juli 1944. Dieses Buch bietet ein neues, facettenreiches Bild der langjährigen Wegbegleiterin Leuschners.