Martin Kessel (1901-1990)
Franz Adam, Sabina Becker, Walter Delabar, Sven Hanuschek, Uwe Japp, Gerhard Kaiser, Stefan Scherer, Wilfried F. Schoeller, Claudia Stockinger, Thomas Wegmann
Der Berliner Autor Martin Kessel ist heute weitgehend vergessen. Dabei hatte er es zu Beginn der 1930er Jahre gewagt, mit dem Angestelltenroman Herrn Brechers Fiasko gegen die zeitgenössischen Großprojekte von Thomas Mann, Alfred Döblin oder Robert Musil anzutreten – und zwar auf fulminante Weise: Mit aphoristischem Sprachwitz und essayistischer Beobachtungsgenauigkeit läßt der Roman die Realität der Angestelltenwelt im geistreich-zynischen Sprechen der Figuren über diese Welt entstehen und gibt dadurch eine kongeniale literarische Antwort auf soziologische Zeitdiagnosen, wie sie etwa Kracauers Artikelserie Die Angestellten (1929) versucht hatte.
Doch Kessel ist nicht nur als Autor von Herrn Brechers Fiasko hervorgetreten – immerhin umfaßt seine Werkbiographie beinahe das gesamte 20. Jahrhundert, und er ist für dieses Werk mit den wichtigsten Literaturpreisen wie z.B. dem Georg-Büchner-Preis 1954 ausgezeichnet worden.
Der Band gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Facetten von Kessels Autorschaft und über zentrale Aspekte seines Gesamtwerks: über den Philologen Kessel und seine Arbeit Studien zur Novellentechnik Thomas Manns, über Kessels Poetologie und Die epochale Substanz der Dichtung, über Kessels Verhältnis zu Geschichte und Anthropologie, über Autorstrategien im Literaturbetrieb der Nachkriegszeit, über den Lyriker und Erzähler Kessel im literarhistorischen Kontext, über die Bedeutung der Werbung für Kessels Erzählen, über die Erzählungen während der NS-Zeit und über Kessels Nachkriegsroman Lydia Faude.