Martin Luthers Thesenanschlag und Erwin Iserlohs Fehldiagnose
Roland Bergmeier
Einst galt der 31. Oktober 1517 als historisches Datum von Martin Luthers Thesenanschlag und zugleich des epochalen Beginns der Reformation. Über beides können sich Fachleute heute nicht mehr zustimmend verständigen. Obwohl es nicht die Absicht Erwin Iserlohs gewesen ist, den Vorabend des Allerheiligenfests 1517 grundsätzlich als „die Geburtsstunde der Reformation“ infrage zu stellen, geht doch der angesprochene Dissenz wesentlich darauf zurück, dass er als Fachmann der Kirchengeschichte die Story vom Thesenanschlag zur Legende erklärt hat, jahrhundertelang in Büchern und Unterricht ausgebreitet oder in Festreden und Festpredigten zum Reformationstag im Brustton der Überzeugung zelebriert. Die vorliegende Studie untersucht Iserlohs Argumente und weist nach, dass seine Legendenhypothese eine Fehldiagnose war, die auf verkürzten Textwiedergaben, falschem Verständnis der lateinischen Grammatik und Missachten des Kontexts der herangezogenen Aussagen beruhte.