Mehrfachkausalität beim Tun und Unterlassen.
Themistoklis I. Sofos
Dem Verständnis der Einzelursache als notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung steht bei den Begehungs- und Unterlassungsdelikten kein besonderes theoretisches Hindernis entgegen. Wie ist bei kumulativer Kausalität von Unterlassungen das Kausalitätsurteil über einen Unterlassenden zu fällen, wenn die Kausalität des Verhaltens des anderen bereits feststeht? Der Erstgarant kann nicht zu sinnlosem Verhalten verpflichtet sein. Gibt es für den Zweitgaranten noch eine Möglichkeit, seine Pflicht zu erfüllen, so muß ihm der Erstgarant diese Möglichkeit geben, indem er ihn informiert. Es ist rechtmäßiges Verhalten des Zweitgaranten zu unterstellen, sofern ihm dies möglich war.
Der Autor geht u. a. der Frage nach, ob dem Erstgaranten auch der Erfolg zuzurechnen ist, obwohl der Zweitgarant seinen Beitrag tatsächlich nicht erbracht hat. Der Fall unterscheidet sich von dem vorhergehenden, in dem der Zweitgarant zur Pflichterfüllung ja gar keine Gelegenheit hatte, darin, daß hier ein fiktives Verhalten des Zweitgaranten zu unterstellen ist: Es handelt sich um die Annahme der kontrafaktischen Normkonformität des Verhaltens eines Zweitgaranten für die Kausalerklärung der Unterlassung des ersten Garanten. Das jeweils zu schützende Rechtsgut darf seine normative Garantie nicht deshalb verlieren, weil die kausale Erklärung seines Untergangs nicht ohne ein Drittverhalten möglich ist.