Morgengrauen
Journal zum philosophischen Hausgebrauch
Peter Strasser
Die Eule der Minerva beginnt ihren Flug in der Dämmerung. Wenn die Schatten lang werden, ist die Zeit des Begriffs gekommen, der nach Weisheit strebt. Im Grauen des Morgens hingegen ringt das erwachende Bewusstsein um Zuversicht. Noch hat nichts wirklich begonnen und doch ist alles schon im Laufen. Und ist nicht dies die Zeit der Philosophie? Ein Philosoph baut Morgen für Morgen an seinem papierenen Haus des Seins: an seinem Journal zum philosophischen Hausgebrauch. Dem Philosophen graut vorm täglichen Weltuntergang. Dagegen schreibt er an, wobei er nicht verabsäumt, seinen Lieben das Frühstück zu bereiten. Während draußen die Fakten »Fakten schaffen«, kultiviert er seine Häuslichkeit, seine kleine Welt, in der die große schon immer klirrend Einzug gehalten hat. Die Völker fliehen vor Hunger, Krieg und Tod; im Morgengrauen brechen sie auf, einem Abendland voller Stacheldraht entgegen. »Es ist, wie es ist, und es ist gut«. Darauf, auf diese Vergeblichkeit hin, ohne die kein Menschsein möglich wäre, schreibt er Morgen für Morgen zu.