Onkel Avraam bleibt für immer hier
Elena Chouzouri
Thessaloniki galt als des „Jerusalem des Balkans“. Die Mehrheit der Bewohner waren sephardische Juden, die 1492 vom Königspaar Fernando und Isabella aus Spanien vertrieben wurden und in der Stadt am Thermaischen Golf eine neue Heimat fanden. Im 20. Jahrhundert brach während der deutschen Besatzung die Katastrophe über sie herein: Im Holocaust wurden fast alle der etwa 50.000 Menschen zählenden jüdischen Gemeinde der nordgriechischen Metropole von den Nazis in den KZs des Deutschen Reiches ermordet.
Vor diesem Hintergrund spielt der Roman von Elena Chouzouri, die unbekannte Facetten der jüdischen Gemeinde von Thessaloniki beleuchtet und auch ihre Rolle im Widerstand gegen die Besatzer zum Thema macht. Alisa kommt aus Tel Aviv nach Hellas und macht sich in Thessaloniki auf die Suche nach der Geschichte ihrer Großmutter Luna, die in der Geborgenheit einer mittelständischen jüdischen Familie aufwuchs. Nach dem Einmarsch der Deutschen 1941 folgt Luna mit dem Flammenhaar ihrem Geliebten Pavlos ins Paiko-Gebirge, schließt sich dort der griechischen Partisanenbewegung an und überlebt. Diese Elemente greift der Roman auf und stellt das Schicksal der alteingesessenen Sepharden, die wie die Lämmer zur Schlachtbank und zu den Todeszügen geführt wurden, einer Widerstandsgruppierung gegenüber, der auch viele Griechinnen und Griechen der sephardischen Juden angehörten. Mit ihrer Reise in die Vergangenheit entschlüsselt Alisa die Geheimnisse ihrer Großmutter. Dabei entwirft sie ein Bild von Thessaloniki in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und erinnert nebenbei auch an den dort tätigen Arbeiterführer Avraam Benaroya („Onkel Avraam“). Benaroya war eine politische Führerfigur, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Griechenland und auf dem ganzen Balkan eine Legende war.