Pietas und virtus – spätantike Aeneisimitation in der Iohannis des Goripp von Hüttner,  Tobias

Pietas und virtus – spätantike Aeneisimitation in der Iohannis des Goripp

In der Iohannis werden die Kriege der Byzantiner behandelt, welche der Feldherr Johannes Troglita im Auftrag des Kaisers Justinian in Nordafrika gegen die maurischen Berberstämme in den Jahren 546-548 n. Chr. führte. Mit seinem Sieg konnte Johannes eine Friedensphase für das kurz zuvor dem römischen Reich wieder eingegliederte Nordafrika einleiten. Dieser Erfolg veranlasste den spätantiken, nordafrikanischen Dichter Coripp – neuesten Erkenntnissen zufolge besser als Goripp zu bezeichnen – unmittelbar nach den Kämpfen ein acht Bücher umfassendes Epos zu verfassen, in welchem er diese Tat und allen voran Johannes verherrlicht. Dass sich der lateinische Dichter für diese literarische Gattung entschied, ist aus seinem Anliegen zu erklären, die Iohannis in der Nachfolge der griechisch-römischen Großepik erscheinen zu lassen. Aus diesem Grund setzt er sich auch intensiv mit seinen lateinischen Vorgängern, in erster Linie mit der Aeneis Vergils auseinander. Darauf hat die bisherige Forschung mehrfach hingewiesen, es jedoch noch nicht zum Thema einer monographischen Untersuchung gemacht. Über die Aeneisimitation hinaus kann die Studie an mehreren Beispielen zudem die bislang nur vage geäußerte Vermutung erhärten, dass Goripp auch die homerische Tradition in Gestalt der griechischen Ilias, aber auch der Ilias Latina heranzieht. Der Rückgriff auf die antike Großepik stellt die Iohannis allerdings in eine Tradition, die eigentlich seit gut 450 Jahren erloschen war. Diese große zeitliche Lücke macht sich freilich darin bemerkbar, wie Goripp seine antiken Vorbilder aufgreift. Der Dichter will nämlich nicht nur den Eindruck einer Kontinuität zu seinen epischen Vorgängern erwecken, sondern sich auch durch panegyrische und christliche Umgestaltungstendenzen, die seiner eigenen Zeit näher stehen, davon abgrenzen. Hinter der Modifizierung der antiken Großepen geben sich also deren spätantike Fortentwicklungen in Gestalt der panegyrischen Epik sowie von Epen mit biblisch-christlichem Inhalt zu erkennen. Diese Imitationsweise wird am Beispiel von pietas und virtus gezeigt. Während pietas die göttliche, staatliche und familiäre Ebene umfasst, steht virtus hauptsächlich für den militärischen Bereich des Krieges. Gerade Szenen, die mit pietas und virtus zusammenhängen, eignen sich besonders für den Vergleich mit den epischen Vorbildern, geht es dem Epos antiker Literaturtheorie zufolge vor allem um Kriege und das Zusammenwirken von menschlicher und göttlicher Ebene. Die Fokussierung auf pietas und virtus ermöglicht aber nicht nur, über eine diachrone Vorgehensweise auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den epischen Vorbildern und dadurch auf die Eigenart von Goripps Dichtung hinzuweisen. Weil es sich dabei auch um zentrale Kategorien der Iohannis handelt, gewährt die Interpretation entsprechender Szenen auf einer synchronen Ebene schließlich einen Einblick, wie Goripp sein Epos als Ganzes verstanden wissen wollte.

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