Pinselstriche auf Seide
Gedichte Gudrun Jokiel, Malerei Chiao Ping
Gudrun Jokiel, Chiao Ping
Auch wenn sie ihnen auf den ersten Blick ähneln, die vorliegenden Kleingedichte sind keine Haiku, jene traditionelle japanische Gedichtform, die als kürzeste der Welt gilt.
„Japanische Haiku bestehen meistens aus 3 Wortgruppen von 5-7-5 Lauteinheiten (Moren)….“ (Wikipedia), dieses Merkmal halten meine Kleingedichte nicht ein. Jedoch jenes, daß sie Konkretheit und Naturbezogenheit besitzen und sich in ihrer Art gleichzeitig mehr dem sog. Senryû annähern mit der Hinwendung zum Persönlichen und Emotionalen.
Die vorliegenden Kleingedichte sind literarische Tropfen und eine nicht zu kategori-sierende Art.
Tagebuchauszug: „In einem stark vergrößerten Regentropfen zeichnet sich der David-Stern ab, das Siegel Salomons. Die Dreiecke also als Ursymbol.
Und legt man Stoff in Farbe und bringt sie in elektromagnetische Schwingung, driften die Farbkügelchen wie Kontinente.
Im Menschen selbst werden innerhalb eines Jahres sämtliche Moleküle durch neue ersetzt. Trotzdem verliert er seine Form nicht. – Ich glaube, darin liegt das Geheimnis. Unsere Gedanken gleichen den Elektronenbahnen eines Atoms, die verschieden miteinander verkettelt werden können, die Ringe ineinander geschlagen, locker die äußeren, fester die inneren. Und nur, wenn man die Kerne trifft, bleibt da etwas, das dem Ursymbol gleicht….“
Dies war einer der Vorgedanken zu meinem Kleingedicht „Auch die Dreiecke, die sich in einem Regentropfen ineinanderschieben….“. Jedes einzelne Kleingedicht hat so seine Vorgeschichte. Aber alle schrieb ich in einem einzigen Atemzug in wenigen Tagen. Und danach nie wieder welche.
Als ich die chinesische Künstlerin Chiao Ping traf, wusste sie sofort, daß sie dazu malen muß.
Seitdem verbindet uns eine enge künstlerische und private Freundschaft.