Politische Geschichte Sachsens und Thüringens
Karlheinz Blaschke, Evamaria Brockhoff, Harald Parigger, Manfred Treml
Die Geschichte Bayerns war mit der seiner Nachbarn in Thüringen immer wieder eng verbunden, wie eine Fülle von dynastischen Beziehungen, von Gemeinsamkeiten in Brauchtum, Lebensart und Sprache belegt. Dieses landesgeschichtlich orientierte Heft macht sich die Aufgabe, die in den Zeiten des Kalten Krieges abgerissenen Verbindungen zu beleben, indem es die vergessenen Gemeinsamkeiten neu ins Bewusstsein hebt.
Das Heft entstand 1991 zu einem Zeitpunkt, als die Länder Sachsen und Thüringen im Begriff waren, sich als politische Einheiten neu zu bilden als Teil des wiedervereinigten Deutschland. Karlheinz Blaschke bietet – in bewusster Beschränkung – einen Abriss der politischen Geschichte Sachsens und Thüringens, der einen Rahmen für die vielfältigen Erscheinungen des wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebens geben kann. In seiner naturräumlichen Ähnlichkeit sind Sachsen und Thüringen ohne natürliche Grenze und weisen auch insofern viele Gemeinsamkeiten auf. Unterschiede bestehen vor allem in der Mundart, im landsmannschaftlichen Bewusstsein und der territorialgeschichtlichen Zugehörigkeit. Ungeachtet dessen stand dieser mitteldeutsche Raum in vielfältigen Beziehungen nach außen. Die Verbindung nach Süden bestand im frühen Mittelalter mit dem Ausgreifen der landesherrschaftlichen Macht vom Main nach Thüringen. Der Landstrich hinter dem Thüringer Wald gehörte bis zur Reformation zum Bistum Würzburg. Oberfränkische Bauern besiedelten das Vogtland und das Erzgebirge im 12. Jahrhundert.
Sachsen und Thüringen waren in ihrer Geschichte mehr verbunden als getrennt. Nach dem Herrschaftsantritt der Wettiner, die 1247 von Meißen aus das Erbe der ludowingischen Landgrafen von Thüringen angetreten hatten, schufen sie bis zum Spätmittelalter ein Territorialgebilde, das sich von der Werra bis zur Elbe erstreckte. Bis 1920 sollten die ernestinischen Herzogtümer in Thüringen die amtliche Bezeichnung „Sachsen“ tragen. Gemeinsamkeiten von Sachsen und Thüringern in der Neuzeit sind in der großen Bedeutung von Stadt und Bürgertum festzustellen, in der eher geringen Macht des Adels und in der ähnlich gelagerten Wirtschaftsstruktur. Der sächsisch-thüringische Raum ist das Ursprungsland der Reformation. Er verfügt über eine große musikalische Tradition mit Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach – beide in Thüringen geboren, in Sachsen schufen sie ihre Meisterwerke. Im Sächsisch-Thüringischen entwickelte sich das „Meißnische Deutsch“, das durch Martin Luthers Bibelübersetzung zur Grundlage der deutschen Schriftsprache wurde. Hier wurzelt nicht zuletzt die deutsche Klassik und so liegt es nahe, Sachsen und Thüringen als kulturgeschichtliche Einheit auch in der politischen Entwicklung der beiden Länder in einer gemeinsamen Darstellung zu betrachten.