Potenzial der High-Speed Physical Vapour Deposition Technologie zur Abscheidung oxidischer Werkzeugbeschichtungen
Martin Welters
Mit der Verwendung und Verarbeitung neuer Werkstoffe gehen erhöhte Anforderungen an die Werkzeuge einher, mit denen z.B. Titanlegierungen, hochfeste und hochtemperaturbeständige Legierungen oder auch faserverstärkte Werkstoffe in Zerspan-, Ur- und Umformprozessen ver-arbeitet werden. Zerspan- und Formgebungswerkzeuge sind bei der Verarbeitung entsprechender Werkstoffe komplexen Beanspruchungskollektiven ausgesetzt, bei denen eine Überlagerung mechanischer, chemischer und thermischer Beanspruchungen erfolgt. Konventionelle Werkzeugwerkstoffe halten diesen nur bedingt stand, weshalb sich die Abscheidung weniger Mikrometer dünner Beschichtungen auf Werkzeugen industriell etabliert hat. Aufgrund seiner exzellenten Hochtemperatureigenschaften und Warmhärte stellt α-Al₂O₃ einen vielversprechenden Schichtwerkstoff dar, um die Standzeit von Fertigungswerkzeugen unter extremen Beanspruchungen weiter zu steigern. Die industrielle Herstellung erfolgt jedoch konventionell mittels Chemical Vapour Deposition (CVD) bei Temperaturen T ≥ 800 °C, was die Auswahl von Substratwerkstoffen erheblich einschränkt. Aufgrund technologischer und werkstoffspezifischer Eigenschaften, stellt der kombinierte Einsatz der High-Speed Physical Vapour Deposition (HS-PVD)-Technologie und die Abscheidung von (Al,Cr)₂O₃-Beschichtungen bei moderaten Temperaturen eine vielversprechende Alternative zu α-Al₂O₃-CVD-Schichten dar.
Vor diesem Hintergrund wird in dieser Dissertation die HS-PVD-Technologie zur Synthese dicker (Al,Cr)₂O₃-Beschichtungen bei moderaten Temperaturen erforscht. Dabei wird sowohl ein werkstoffseitiger als auch ein prozessseitiger Schwerpunkt gesetzt. Werkstoffseitig werden mittels systematischer Variation der Prozessparameter Substrattemperatur, O₂-Reaktivgasfluss und Bias-Spannung grundlegende Zusammenhänge zwischen (Al,Cr)₂O₃-Phasenbildung bzw. Schichtdicke und den untersuchten Parametern deutlich. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dazu Prozessfenstern zur gezielten Abscheidung von amorphen und teilkristallinen (Al,Cr)₂O₃-Beschichtungen bei moderaten Temperaturen zu definieren. Die umfassende Untersuchung des Eigenschaftsprofils entsprechend synthetisierter (Al,Cr)₂O₃-Beschichtungen ist ebenfalls Gegenstand dieser Dissertation. Anhand der individuellen Eigenschaftsprofile der Beschichtungen werden potenzielle Einsatzgebiete der entwickelten (Al,Cr)₂O₃-Beschichtungen benannt und weiterer Forschungsbedarf abgeleitet. Prozessseitig wird deutlich, dass der HS-PVD-Prozess die Abscheidung dicker oxidischer Beschichtungen sowie die Beschichtung von innenliegenden Flächen von Bauteilen ermöglicht.