Realisierung eines akustischen Selbsttonometers unter Berücksichtigung der Biometrie des Auges
Jan H. Osmers
Das Glaukom ist eine ernsthafte Gefahr für die Sehfähigkeit. Die Augenerkrankung hat unterschiedliche Ursachen, deren Gemeinsamkeit in der Degeneration retinaler Ganglienzellen liegt, welche zur Reizweiterleitung der Lichteinwirkung auf der Netzhaut dienen. Die aktuell einzige Methode zur Behandlung eines Glaukoms liegt in der Reduzierung des Augeninnendrucks (IOD), wodurch die mechanische Belastung auf die Ganglienzellen verringert wird und ihre Degeneration stagniert. Die Wirksamkeit einer Operation oder der Medikamenteneinnahme muss im Folgenden anhand von wiederholten IOD-Messungen mit einem Tonometer kontrolliert werden. Für eine optimale Therapiekontrolle ist es erforderlich, dem Patienten über den Tag verteilte Selbstmessungen im heimischen Umfeld zu ermöglichen, sodass stationäre Krankenhausaufenthalte zur IOD-Messung erspart bleiben. Für häufige Selbstmessungen ist eine kontaktlose, schonende IOD-Messung erforderlich, um Augenirritationen zu vermeiden. Zudem muss die Forderung einer Messunsicherheit von <5 mmHg für die medizinische Zulassung des Tonometers erfüllt werden. Daher liegt das Ziel dieser Arbeit in der Untersuchung eines schonenden Tonometrieansatzes und der Bestimmung der erreichbaren Messunsicherheit beim Menschen sowie der Identifikation und Quantifizierung von Querempfindlichkeiten bei der IOD-Messung. Das Messprinzip, basierend auf einer Druckkammer, welche auf das Auge aufgesetzt wird und einem Lautsprecher, der zur Druckanregung des Auges in der Kammer fungiert, wird zunächst anhand von Schweineaugenversuchen validiert. Es zeigt sich, dass eine akustische Kopplung zwischen dem Auge und dem Lautsprecher über das Luftvolumen der Druckkammer besteht, weshalb sich die Membranschwingung des Lautsprechers als sensitiver Parameter zur IOD-Bestimmung eignet. Für den Tonometrieansatz wird in Labormessungen an Schweineaugen eine Messunsicherheit von 2 mmHg bestimmt. Hierdurch motiviert, finden mit einem Prototyp des Selbsttonometers handgehaltene Selbstmessungen von Probanden an der Universitäts- und Augenklinik Würzburg statt. Die direkte Zuordnung der Schwingungsparameter zum Referenz-IOD ist bei der klinischen Messung weniger signifikant als bei den Schweineaugenversuchen. Jedoch liefert die Auswertung mit künstlichen neuronalen Netzwerken schließlich unter Berücksichtigung der biometrischen Augenparameter der Probanden eine signifikante Zuordnung von Selbsttonometermessungen und Goldmann-Referenzmessungen mit einer erweiterten Messunsicherheit von 6,53 mmHg (kp=2). Zur Quantifizierung von Querempfindlichkeiten werden die Einflüsse der biometrischen Parameter auf das Schwingungsverhalten des Auges mithilfe eines Finite-Elemente-Modellauges untersucht, welches auf mindestens 12 einstellbaren Augenparametern basiert. Als Ergebnis zeigt sich, dass bereits der systematische Einfluss der biometrischen Parameter Achsenlänge und zentrale Korneadicke des Auges auf die Messunsicherheit des Selbsttonometers, den Einfluss der zufälligen Streuung der Sensorik um das 8-fache übersteigt. Somit müssen biometrische Augenparameter berücksichtigt werden, um die geforderte Messunsicherheit des Selbsttonometers zu erreichen. Durch die direkte optische Messung der Augenschwingung im Apex der Kornea wird das entwickelte physikalische Modell des Messansatzes validiert, d. h. es wird eindeutig gezeigt, dass eine IOD-abhängige Deformierbarkeit des Auges besteht, welche zur IOD-Bestimmung verwendet werden kann. In Messung und Simulation besteht eine asymptotische Amplitudenabnahme bei ansteigendem IOD. Die Abweichung der Amplitude der Korneaauslenkung bei 20 mmHg beträgt trotz im Modell getroffener Abstraktionen nur 1 %. Abschließend wird ein Sensoransatz zur optischen Messung der Korneaschwingung vorgestellt, welcher die Anforderungen zur Integration in das Selbsttonometer erfüllt und im Labor eine Messunsicherheit von <0,5 mmHg an 2 Schweineaugen erreicht hat.