Recht und Gemeinschaft
Zu Hannah Arendts Kritik der Menschenrechte
Friedrich Weißbach
In dem berühmt gewordenen Kapitel »Die Aporien der Menschenrechte« aus ihrem 1955 erschienenen Buch »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« setzt sich Hannah Arendt mit dem Schicksal der Staatenlosen auseinander. Sie fragt, warum sich die Menschenrechte im Augenblick des Verlustes der Heimat als offensichtlich wirkungslos erweisen. Ihre Antwort ist so knapp wie radikal: Die als eine der größten politischen Errungenschaften der Aufklärung verstandenen Menschenrechte sind illusionär.
Friedrich Weißbach geht Hannah Arendts Kritik der Menschenrechte aus einer rechtsphilosophischen Perspektive auf den Grund. Ausgehend von einer eingehenden Analyse des Kapitels »Die Aporien der Menschenrechte« widmet er sich Arendts Spätwerk und ergründet ihre im Text nur angedeuteten politiktheoretischen Thesen. Dabei offeriert er eine neue und innovative Interpretation: Arendts so oft zitiertes Konzept eines »Rechts, Rechte zu haben« erweist sich nicht als Lösung für das Problem der Wirkungslosigkeit der Menschenrechte, sondern bleibt selbst in den aufgezeigten Sackgassen nationalstaatlicher Souveränitätslogik verfangen.
Um die Teilhabe aller Menschen an einer politischen Gemeinschaft zu garantieren, muss daher nicht nur ein neues Verständnis von Recht, sondern auch von den in ihm zum Ausdruck kommenden Konzepten der Freiheit und Gleichheit entwickelt werden. Es braucht ein Recht, dessen normativer Kern die bedingungslose Teilhabe aller an einer politischen Gemeinschaft darstellt.