Reflexion organisatorischer Entscheidungen als Kern des Organisationscontrollings
Florian Lindner
Blickt man auf größere Reorganisationen in jüngerer Zeit, wie z. B. bei Siemens oder Daimler, so fällt auf, dass Organisationsstrukturen bereits nach wenigen Jahren wieder verändert bzw. Reorganisationen rückgängig gemacht werden. Offensichtlich herrscht häufig eine große Unzufriedenheit mit Organisationsstrukturen vor: Die intendierte Wirkung wird nicht immer erreicht. Obwohl einem Organisationscontrolling vor diesem Hintergrund eine hohe Bedeutung zukommt, wird es in Literatur und Praxis vernachlässigt. Die Untersuchung setzt an diesem Defizit an, indem ein reflexionsorientiertes Organisationscontrolling entwickelt wird. Im Rahmen einer kognitionswissenschaftlichen theoretischen Fundierung werden zunächst verschiedene kognitive Verzerrungen identifiziert, die zu Fehlentscheidungen in den einzelnen Phasen des organisatorischen Entscheidungsprozesses führen können, bevor ein Abgleich mit bestehenden empirischen Erkenntnissen erfolgt. Darauf aufbauend wird die Reflexion, verstanden als umfassendes kritisches Hinterfragen organisatorischer Entscheidungen, als zentrale Funktion des Organisationscontrollings erarbeitet. Die Reflexion kann dabei abweichungs- oder perspektivenorientiert erfolgen. Bei der abweichungsorientierten Reflexion handelt es sich um die Organisationskontrolle. Die dabei üblicherweise in der Literatur vorherrschende enge Fokussierung wird überwunden, indem erweiterte Organisationskontrollen auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden, wie z. B. eine stimmigkeitsorientierte Ist-Ist-Kontrolle. Dabei wird auch dargelegt, wie die Messung der Kongruenz zwischen Mitarbeiter und Organisationsstruktur instrumentell unterstütz werden kann. Im Rahmen der perspektivenorientierten Reflexion wird aufgezeigt, wie festgefahrene Interpretationsmuster bzw. Entscheidungsperspektiven im Organisationsmanagement verändert werden können. Durch verschiedene Instrumente der perspektivenorientierten Reflexion, wie z. B. Kausalkarten oder einem organisationsspezifischen Reframing wird gezeigt, wie festgefahrene Perspektiven aufgebrochen, Distanz zu dem eigenen Standpunkt aufgebaut und die mentale Flexibilität des Entscheidungsträgers erhöht werden kann. Zusätzlich werden die für die Praxis bedeutsamen unerwünschten Nebenwirkungen des Organisationscontrollings im Rahmen der Selbstreflexivität berücksichtigt sowie idealtypische Möglichkeiten der Institutionalisierung dargelegt.