Reflexive Naivität
Zum Werk Marieluise Fleißers
Maria E. Müller, Ulrike Vedder
Marieluise Fleißer, in den 20er Jahren skandalumwitterte Dramatikerin und mit Bertolt Brecht auf problematische Weise verbunden, hat in der deutschen Literatur einen einzigartigen Ton getroffen. Kleinbürgerliche Tristesse und individuelles Aufbegehren gegen das enge, katholisch geprägte Milieu sind es, denen sie zu authentischer Kontur verhilft. Dabei entwickelt sie eine Sprache, deren Künstlichkeit den vermeintlich volkstümlich-provinziellen Ton unterläuft.
Den ästhetischen und rhetorischen Strukturen der Texte gilt das besondere Interesse der in diesem Band enthaltenen Beiträge. Sie umfassen das gesamte Spektrum des Fleißerschen Werks, das durch die kunstvolle Inszenierung von Blick- und Sprachgesten unverwechselbar wird. Dass es dennoch so schwierig war, sich in die Literaturgeschichte einzuschreiben, verweist auf die Problematik weiblicher Autorschaft im Umfeld einer männlich dominierten Avantgarde.