Repression und Selbstbehauptung.
Die Zeugen Jehovas unter der NS- und der SED-Diktatur.
Gerhard Besier, Clemens Vollnhals
Die kleine Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas zählt zu jenen vergessenen Opfergruppen der NS-Diktatur, deren Schicksal und Leid in der öffentlichen Erinnerung lange Zeit verdrängt worden ist. Und zwar in West wie Ost gleichermaßen. Die Leidensgeschichte dieser missionarisch sehr aktiven Religionsgemeinschaft war jedoch mit dem Zusammenbruch der NS-Diktatur keineswegs beendet. Bereits 1950 wurden sie in der DDR erneut verboten und abermals Opfer harter Verfolgungsmaßnahmen, wie sie keine andere Religionsgemeinschaft erdulden mußte. Insgesamt wurden über 6000 Zeugen Jehovas verhaftet und teils zu äußerst harten Strafen verurteilt, gut ein Fünftel der Verurteilten waren Frauen. Es ist wohl dem Mechanismus der gesellschaftlichen Marginalisierung und der Ausgrenzung zuzuschreiben, daß die einzigartige Kontinuität der Verfolgung in beiden deutschen Diktaturen über Jahrzehnte hinweg von der Forschung kaum wahrgenommen wurde, von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.
In beiden Systemen hielten die Zeugen Jehovas unerschütterlich an dem Grundsatz der strikten politischen Abstinenz fest. Sie untersagten ihren Anhängern die Mitarbeit in politischen Organisationen und Parteien, enthielten sich der Ausübung des Wahlrechts und verweigerten, was am schwersten wog, konsequent den Militärdienst. Diese Grundsätze der privaten Lebensführung stellten keine bewußte politische Opposition dar, sondern resultierten aus der Glaubenslehre und der Bereitschaft zum duldsamen Märtyrertum. Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in den totalitären Weltanschauungsdiktaturen ist vor allem eine Geschichte standhafter Verweigerung aus ihrem Glauben heraus.
Der vorliegende Sammelband enthält einen fundierten Überblick über den Forschungsstand und beleuchtet die unterschiedlichen Facetten des Themas.