Schulden – Segen oder Fluch?
Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung. Heft 4, 88. Jahrgang (2019).
Schulden sind die treibende Kraft von Investitionen, Wirtschaftswachstum und Wohlstand: Ohne Verschuldung gäbe es keine verzinslichen Anlagen für Sparer. Reale Zinsen werden durch produktive Investitionen in der Realwirtschaft generiert. Die aktuellen Niedrigzinsen deuten auf einen Sparüberhang hin. Die globale Finanzkrise war eine Krise der Überschuldung für unproduktive Investitionen in nicht werthaltige Finanzinstrumente. Überschuldete Banken mussten Schulden abbauen, reorganisiert oder vom Staat gerettet werden. Staaten, die sich dafür verschuldeten, mussten höhere Zinsen zahlen, gerieten in eine Krise und erhielten neue Schulden durch »Rettungspakete«. Gleichzeitig stellen Schuldenobergrenzen ein Hindernis bei der Überwindung von Krisen durch kreditfinanzierte Investitionen dar. Ähnlich auf der Ebene der privaten Haushalte: Einerseits brauchen sie Kredite für die produktive Teilhabe am Wirtschaftsleben wie für Existenzgründungen, andererseits sind gerade einkommensschwächere Verbraucher dem Risiko der Überschuldung ausgesetzt. Zur Vermeidung der Insolvenz müssen sie oft teure Umschuldungskredite annehmen, die ihre Schuldenlast weiter erhöhen. Es stellt sich die Frage, welche regulatorischen Maßnahmen notwendig sind, um eine unverantwortliche oder wucherische Kreditvergabe zu verhindern. Marktversagen auf Kreditmärkten, sei es durch Wucher, Diskriminierung oder spekulative Übertreibungen bei der Preisbildung von Anleihen, kann durch staatliche Eingriffe wohlfahrtssteigernd korrigiert werden.
Zwei Bände – VJH 4-2019 in deutscher und VJH 1-2020 in englischer Sprache – geben Antworten auf die Frage »Schulden – Segen oder Fluch?« und zeigen politische Handlungsoptionen auf. Sie enthalten wegweisende Beiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen (Wirtschaft, Politikwissenschaft, Recht, Ethik), dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dem Jubiläumsnetzwerk »erlassjahr.de/Jubilee Germany«, dem Centre for Responsible Credit (UK) und dem Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik.
Der vorliegende erste Band befasst sich mit Staatsschulden in Deutschland, Europa und dem Globalen Süden, politischer Ökonomie der Staatsverschuldung, Modern Monetary Theory, verantwortlicher Vergabe von Verbraucherkrediten und Krediten der Privatwirtschaft im Euroraum.