Sekundäre Viktimisierung als Legitimationsformel.
Lena Bork, Ralf Kölbel
Spätestens seit Garlands »Culture of Control« wird die Frage gestellt, ob und wie die Kriminalpolitik »das Opfer« benutzt, um dem Strafrecht punitive Züge zu geben. Der Verdacht, dass das Opfer als Vehikel des »Penal Populism« diene, besteht auch mit Blick auf den expandierenden strafprozessualen Opferschutz in Deutschland. Ralf Kölbel und Lena Bork zeigen nach der bisher umfassendsten Sekundäranalyse auf, dass die »Gefahr sekundärer Viktimisierung« im rechtspolitischen Diskurs seit 30 Jahren als eine Legitimationsfigur fungiert, die keine wissenschaftliche Grundlage hat. Dennoch ergibt eine Rekonstruktion der wesentlichen Gesetzgebungsvorgänge nur wenig Hinweise auf eine Opferinstrumentalisierung. Die viktimologische Wende im Strafprozess erscheint eher als sozialstaatliches Projekt, das sich aber von seiner empirischen Basis verselbstständigt hat und deshalb gleichermaßen untersuchungs- und hinterfragungsbedürftig ist. Hierfür entwickeln die Autoren abschließend einen konzeptionellen Rahmen.