Selinus II
Die punische Stadt auf der Akropolis
Sophie Helas
Die antike Stadt Selinunt auf Sizilien ist vor allem durch die großartigen Tempelbauten und die beeindruckenden Stadtmauern der griechischen Zeit bekannt, die im ersten Band der Selinus-Reihe vorgelegt wurden. Die Ruinen, die auf die Zeit der punischen Bewohner zurückgehen, haben dagegen weniger Beachtung gefunden. Nachdem Selinus im 7. Jahrhundert v. Chr. von griechischen Kolonisten gegründet worden und zu einer blühenden Stadt herangewachsen war, wurde die Stadt im Jahre 409 v. Chr. von den Karthagern eingenommen und stark zerstört. Die ehemals griechische Gründung geriet nun unter karthagische Herrschaft. Der neu erschienene Band II der Selinus-Reihe behandelt diese punische Periode der Stadtgeschichte, die zwischen der griechischen Blütezeit und der völligen Aufgabe der Siedlung im Jahre 250 v. Chr. liegt. Es geht um die archäologischen Reste des punischen Selinunts, die bereits seit einigen Jahrzehnten ausgegraben wurden. Die umfassende Publikation zur punischen Wohnkultur trägt entscheidend zur Kenntnis des punischen Selinunts bei. Auf der Grundlage eines steingerechten Planes der Akropolis, der dem Buch beiliegt, beschreibt Sophie Helas die Wohnhäuser und ihr Umfeld (Ladenstoa, Heiligtümer, ‚öffentliche‘ Gebäude) ausführlich. Über 60 Gebäude werden in neuen, detailreichen Plänen und Rekonstruktionen erstmals vorgelegt. Die Publikation leistet so einen zentralen Beitrag zur Erschließung der punischen Lebenswelt des westlichen Mittelmeerraumes. Auf einen synthetischen Teil folgen ausführliche Kataloge zu den Häusern und ihren Ausstattungselementen, Exkurse beteiligter Bauforscher sowie eine Vorlage der Stratigrafie, der Befunde und des Fundmaterials aus den punischen Schichten. Dabei geht es der Autorin immer auch um die Analyse der kulturellen Elemente. Gerade in Hinsicht auf Fragen der Akkulturation besitzt Selinunt große Aussagekraft. Die neuen Bewohner, die sich im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts in den Ruinen der griechischen Stadt einrichteten, unterschieden sich von der Vorgängerbevölkerung in vielerlei Hinsicht: Die Schrift- und Sachkultur ist mit derjenigen der punisch-phönizischen Städte des westlichen Mittelmeerraumes, insbesondere Karthagos, verwandt. Die Veränderungen des städtischen Erscheinungsbildes und der Wohnhäuser wurden von den Bedürfnissen und Idealvorstellungen der neuen Bevölkerung geleitet und deuten auf ein anderes Verständnis von Stadt als Lebensraum. In diesem Spannungsfeld zwischen punischer Tradition und griechischen Einfluss schließt die Arbeit mit einer differenzierten Analyse von Grad, Ausmaß und Zeitpunkt der Hellenisierung der punischen Wohnarchitektur.Der Band ist mit einer ausführlichen Zusammenfassung in italienischer Sprache ausgestattet.
Über diese Reihe:Seit 1973 erscheinen in der renommierten Reihe „Sonderschriften des Deutschen Archäologischen Instituts Rom“ Monographien zu bedeutenden Forschungen in Italien und Nordafrika. In Vorbereitung sind Studien zu herausragenden Bauten der griechisch-römischen Antike wie dem Poseidontempel in Paestum, den Befestigungen des antiken Syrakus oder dem Kolosseum in Rom.