Sowjetzonenflüchtlinge in den frühen Nachkriegsjahren in der Region Fulda
Zwischen Abwehr und Aufnahme
Günter Sagan
Etwa 3,5 Millionen Menschen kehrten nach Ende des Zweiten Weltkrieges der SBZ/DDR den Rücken. Diese Westwanderung fand ab den beginnenden 1950er Jahren in der Öffentlichkeit eine überwiegend positive Bewertung und ist so auch in die deutsche Erinnerungskultur eingegangen. Diese Veröffentlichung konzentriert sich jedoch auf die meist aus dem Blick geratene Zeit von 1945 bis 1949/50. In diesen unmittelbaren Nachkriegsjahren erwartete die Ostzonenflüchtlinge keine „Willkommenskultur“. Im Gegenteil, sie galten als illegale, die einzusperren und zurückzuschicken waren. Der Weg der SBZ-Zuwanderer von der Ablehnung bis zur Aufnahme wird über die Stationen Abschreckung, Asylgewährung und Notaufnahme bis hin zur sozialpolitischen Gleichstellung eines kleineren Teils der Ostzonen-Flüchtlinge mit den Vertriebenen nachgezeichnet.
Dies geschieht auf abwechslungsreiche und anschauliche Weise durch eine Vielzahl unterschiedlichster Abbildungen, durch die Darstellung von Flüchtlingslagern sowie Zeitzeugenberichte und Aktenauszüge, die einen Blick auf persönliche Schicksale ermöglichen. Alle diese Materialien weisen einen deutlichen Regionalbezug auf.
Dem Autor, der bereits durch viele Veröffentlichungen – besonders aus der Zeit von 1939-49 – hervorgetreten ist, gelingt es, die Geschehnisse vor Ort mit der „großen“ Geschichte zu verbinden. Dadurch wird die Studie nicht nur an der Region Interessierte ansprechen. Aktuell gewinnt das Buch Bedeutung auch dadurch, dass die behandelte Thematik zum Nachdenken über Fragen anregen kann, die sich in unserer Gegenwart stellen.