Norbert Trummer – Standortwechsel
[Ein Film von Norbert Trummer]
Johannes Rauchenberger, Norbert Trummer
Der Titel dieser Ausstellung von Norbert Trummer ist hintergründiger als die reale Ergebnisbeschreibung einer ökonomischen Entscheidung, die einen „Standortwechsel“ nach sich gezogen hat. Er hängt sich vielmehr an einer Ode an: „Den Standort wechseln als Daseinsform.“ Der schlichte Satz stammt vom rumänischen Dichter Caius Dobrescu, einem der scharfsinnigsten Analytiker derzeitiger Gesellschaftsmaximen, veröffentlicht in seinem Lyrikband: „Ode an die freie Unternehmung.“
Norbert Trummers Kunstprojekt ist somit nur scheinbar an einem konkreten Schauplatz und einer verlorenen Liebe zum Detail verortet. Es ist vielmehr ein Vollzug der Stellvertretung, der die Gesetze der Gegenwart, von denen wir glauben, dass sie gegeben oder gemacht, jedenfalls aber hinzunehmen sind, mit dem Charme der Zeit, einer anderen Art der Medialität und völlig anders gearteten Formen von Präsenz unterläuft.
Am Ende eines Jahres, das dem Kulturzentrum bei den Minoriten nach 34 Jahren einen ebensolchen Standortwechsel bescherte, haben wir den Satz des Dichters, der drei Wochen zuvor hier gelesen hatte, auf die Weihnachtskarte gesetzt, verbunden mit Lena Knillis scheinbar naiver Zeichnung „Madonna mit Hosen“. Sie zeigt die Beine einer Frau, auf deren Becken ein Baby quer liegt. Das Blatt bildet somit den Abschluss eines Veränderungsjahres, das man rein binnendiskursiv betrachtet geschichtlich nennen kann und an dessen Beginn und an dessen Ende ein Historiograf namens Norbert Trummer steht. Dabei würde sich der Künstler vermutlich nicht als solcher verstehen. Aber er kam plötzlich vorbei, in der Art eines fahrenden Sängers aus der Vorzeit, der seine Kunstfertigkeit mit der zeichnenden Hand wohlfeil anbietet. Und fortan war er einfach da, sozusagen einer von uns, mit Schlüsselgewalt versehen – denn am Abend war es ruhiger – , als es zu passieren hatte: eine Institution, von der die in jener Zeit dort Handelnden geglaubt hatten, dass sie eben eine Institution sei, einzupacken, den unsichtbaren Griff im Nacken, der seine Umklammerungskraft daraus zog, dass die Zeiten andere geworden waren, im ökonomischen Vorwärtsdenken, wie auch, das war zugegebenermaßen strategisch nicht geplant, im ideologischen Rückwärtsdenken, inklusive des Verlusts von bisherigen Ausstellungsflächen und Veranstaltungsorten. […]
(, Standortwechsel – Zur Geschichtsschreibung von Norbert Trummer)