Strafverfahren gegen HIV-Infizierte.
Unter besonderer Berücksichtigung der Situation jugendlicher Beschuldigter.
Katharina Franck
Infektionswege und Infektionsrisiken der Immunschwächekrankheit Aids sind heute bekannt. Dennoch stellt Aids Staat und Gesellschaft weiterhin vor große Herausforderungen, gerade weil auch die neuen Kombinationstherapien nicht das „Ende von Aids“ gebracht haben. Die Autorin behandelt die Probleme, denen sich die Strafjustiz in diesem Zusammenhang stellen muß. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Situation jugendlicher Beschuldigter.
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Aids berührt zwangsläufig Tabuthemen wie Sexualität, Infektiosität und Todesangst. Auch hat Aids den Problemkreis der Drogensucht erneut in den Vordergrund gesellschaftlicher Diskussion gerückt und sich vor allem in der Methadon-Debatte als Beschleunigungsfaktor erwiesen. Aids-Hilfen haben ein erhebliches Gewicht erlangt und sind zu einer unverzichtbaren Säule des Gesundheitssystems geworden.
Stand zu Beginn der Epidemie noch die Strafbarkeit ungeschützter Sexualkontakte HIV-Infizierter im Mittelpunkt der Diskussion, hat sich diese inzwischen auf die Probleme der Rechtsfolgenseite verlagert. Dem Strafrichter stellt sich das Problem, daß auch „kürzere“ Freiheitsstrafen für den HIV-infizierten Angeklagten im Zweifel „lebenslang“ bedeuten können.
Steht ein HIV-infizierter Angeklagter vor Gericht, zieht sich Aids wie ein roter Faden durch das gesamte Strafverfahren. Eine nur juristische Sicht kann die Dimensionen von Aids dabei nur unzureichend erfassen. Diese Defizite aufzufangen, ist Aufgabe der sozialen Dienste in der Strafjustiz. Aber auch Aids- und Drogenberater in freier Trägerschaft spielen in einem Strafverfahren gegen einen HIV-Infizierten eine Rolle. Für den Aidsberater, dem de lege lata kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, ist dies nicht unproblematisch.
Die Aids-Problematik trifft auf den Strafvollzug mit besonderer Vehemenz. Die Probleme des illegalen Drogenkonsums werden in der geschlossenen Gesellschaft der Haftanstalten reproduziert und verschärft. Die Notwendigkeit, den durch den Drogenkonsum bedingten vollzugsspezifischen Infektionsrisiken vorzubeugen, trifft auf die Zielvorstellung eines drogenfreien Strafvollzugs.