Tätige Reue im Zivilrecht.
Eine Untersuchung der Auswirkungen nachträglichen Wohlverhaltens auf die Folgen der Verletzung zivilrechtlicher Pflichten und Obliegenheiten.
Christian Knütel
Weder im Zusammenhang noch in Einzelbetrachtungen ist bisher untersucht worden, wie sich nachträgliches Wohlverhalten auf die zahlreichen Rechtsnachteile auswirkt, die aus der Verletzung zivilrechtlicher Pflichten und Obliegenheiten erwachsen können: Entfällt ein allgemeines oder besonderes verzugsbedingtes Rücktritts- und Kündigungsrecht (etwa des Mieters, Vermieters, Bestellers, Kreditnehmers) oder eine Vertragsstrafe, wenn der Schuldner nachträglich leistet? Kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein Kündigungsrecht »aus der Hand schlagen«, das wegen Fehlverhaltens entstanden war? Vermag der Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung noch zu erlangen, der Obliegenheitsverletzungen nachträglich wiedergutmacht? Leben verwirkte Unterhaltsansprüche des Verwandten oder des geschiedenen Ehegatten infolge Wohlverhaltens wieder auf? Wie verhält es sich mit dem Widerrufsrecht des Schenkers, mit der Pflichtteilsentziehung oder der Erbunwürdigkeit? Wirkt tätige Reue sich auf das Schmerzensgeld nach § 847 BGB oder wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus?
Der Autor beantwortet diese und weitere Fragen durch Auslegung der jeweiligen Norm unter besonderer Berücksichtigung des Normzwecks, der Interessen der Beteiligten sowie der Gesetzesgeschichte. Die interessengerechte Auslegung zeigt, daß nachträgliches pflicht- oder obliegenheitsgerechtes Verhalten einen zivilrechtlichen Nachteil zumeist dann entfallen läßt oder mindert, wenn berechtigte Interessen des geschützten Personenkreises – im nachhinein betrachtet – nicht beeinträchtigt sind.