Trotz alledem
100Jahre Awo Wiesbaden Mit dem Herzen dabei
Manfred Gerber
Eigentlich wollte man im Januar 2023 gebührend feiern, was die Wiesbadener Awo in ihrer stolzen hundertjährigen Geschichte alles an sozialem Engagement geleistet hat. Der Titel des Jubiläumsbuchs, von Manfred Gerber geschrieben und heute im Autorenverlag HuttenundMorgenroth erschienen, ist doppeldeutiger. Er ist auch eine Reaktion darauf, dass dabei nicht alles nur feierlich ist: Denn auch die Wiesbadener Awo wurde in den vergangenen drei Jahren von einer ganzen Reihe von Skandalen gebeutelt. Gerbers Buch spart in seinem Buch diesen Aspekt nicht aus. Aber er nimmt uns vor allem mit auf eine spannende Zeitreise durch ein ganzes Jahrhundert Sozialgeschichte vor Ort, in denen sich die aus dem sozialdemokratischen Milieu hervorgegangene Arbeiterwohlfahrt von einem Selbsthilfeverein zu einem modernen Sozialunternehmen wandelte.
Es ist ein Wiesbadener Geschichtsbuch „von unten“, das vom Alltag der „kleinen Leute“ erzählt und vom Leben eines rührigen, lange Zeit vor allem ehrenamtlich getragenen Vereins, der all die Jahrzehnte im Einsatz war, um Not und Elend vieler Menschen erträglicher zu machen – vor allem in der Folge zweier Weltkriege. Schulkinderspeisungen, Mutter-Kind-Kuren, Flüchtlingshilfen und Jugendfreizeiten gehörten dazu ebenso wie die Pflege des geselligen Lebens. Heute betreibt die Awo in Wiesbaden neun Kitas, zwei Altenheime und ein Frauenhaus. Zuletzt freilich hatte sich das Sozialunternehmen von seinen Ursprüngen so abgehoben, dass ohne wirkliche Kontrollen offenbar erhebliche Missbräuche möglich wurden.
Manfred Gerber hat für das Buch in vierjähriger Arbeit sämtliche relevanten Wiesbadener Archive durchforstet, dazu das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, das für die Bundes-Awo die Akten betreut. So hat er die Geschichte des Kreisverbandes in die Zeitläufte der 100 Jahre hineingestellt. Herausgekommen ist ein 192 Seiten starker, reichlich bebilderter Band, mit vielen bislang noch unveröffentlichten Fotos. Anspruchsvoll und zugleich leserfreundlich gestaltet hat den Band die Wiesbadener Graphik-Designerin Dagmar Ronneburg.