Überleben in Stalingrad
Die Ärzte von Stalingrad – Teil 6: Gefangennahme, Todesmärsche, Todeslager und Genesung in Usta – ein Erlebnisbericht
Reinhold Busch, Paul Wappler
Der Autor erlebt als Unterarzt auf dem Hauptverbandplatz der 2. Sanitätskompanie der sächsischen 94. Infanteriedivision in dem kleinen Ort Gorodischtsche bei Stalingrad zusammen mit seinem Chef, dem Chirurgen Dr. Gerhard Dixel, das Leiden und Sterben der Soldaten der 6. Armee. Beim fluchtartigen Rückzug in die Stadt Ende Januar 1943 können die Verwundeten und Kranken nicht vom Sanitätspersonal mitgenommen werden. Die beiden Ärzte bleiben zurück, übergeben noch vor dem endgültigen Ende im Kessel ihren Haupt-verbandplatz und liefern sich damit der Gnade der Roten Armee aus.
Den mehrtägigen Todesmarsch durch die eisige Steppe nach Kisljakow überleben viele der deutschen Kriegsgefangenen nicht. Im Lager Kisljakow vegetieren die Übrigen elend dahin, ohne ausreichende Nahrung, ohne Medikamente und geplagt von Ungeziefer. Viele Gefangene erliegen in den stickigen, feuchtkalten Erdlöchern den jetzt hinzukommenden Seuchen wie Ruhr, Typhus und Fleckfieber.
Nach der Auflösung des Lagers werden die kranken und geschwächten Überlebenden zum zweiten Mal und wieder tagelang über die eisige Steppe getrieben – diesmal zurück nach Stalingrad in das Lager Beketowka. Erneut bleiben viele unterwegs auf der Strecke – verhungert, erfroren, erschossen.
In Beketowka erleben die Gefangenen die Hölle eines Todeslagers: Von 50 000 Mann sterben 40 000 an Seuchen, Vitamin- und Nahrungsmangel und schließlich an Dystrophie. Mit einigen überlebenden Kollegen wird Dr. Wappler ins sowjetische Spezial-Hospital für Kriegsgefangene Usta verlegt, wo er dank seiner Kenntnisse als Laborarzt arbeiten darf. Hier erlebt er zusammen mit seinen deutschen Kollegen eine ruhige Zeit und kommt langsam wieder zu Kräften. Die Zusammenarbeit mit den sowjetischen Ärzten, die großen Respekt vor der deutschen Medizin haben, ist freundschaftlich und kollegial; auch mit dem sowjetischen Wachpersonal kommen die Ärzte gut aus und werden sogar bei der medizinischen Versorgung der sowjetischen Bevölkerung eingesetzt.
Nach vorübergehendem kurzem Einsatz in verschiedenen Lagern um Moskau herum erfährt Dr. Wappler am 6. Dezember 1948 nach fast sechsjähriger Kriegsgefangenschaft die Gnade einer frühen Heimkehr, während die meisten seiner Kollegen erst später entlassen werden. Ein bewegender, dramatischer Bericht eines Arztes in unmenschlichen Zeiten!